Im Schnitt vergehen zehn Jahre, bis Endometriose-Patientinnen ihre Diagnose bekommen. Die Herausforderung für den behandelnden Arzt: das bunte Beschwerdebild. Was Diagnose und Therapie erleichtert, lest ihr hier.
Trotz aller Fortschritte der Medizin tun sich immer wieder erstaunliche Wissenslücken auf. So ist zum Beispiel nicht klar, wieso Gewebe, das dem der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, bei vielen Frauen an anderen Stellen im Körper zu wuchern beginnt. Leider gibt es, wenn man die Ursache einer Krankheit nicht kennt, auch keine ursächliche Therapie. Die Behandlung zielt dann darauf ab, die Symptome zu bessern, im Fall der Endometriose vor allem die Schmerzen.
Die aktualisierte S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Endometriose“ unter Federführung der deutschsprachigen Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe beschreibt die Endometriose als „eine komplexe, multifaktorielle und alle Lebensbereiche der Frau betreffende chronische inflammatorische Erkrankung“. Endometrioseherde sind zwar gutartig, können aber in benachbartes Gewebe eindringen. Am häufigsten siedeln sie als Adenomyosis uteri im Uterus, aber auch im Peritoneum, den Ovarien, dem Ligamentum sacrouterinum, der Vagina, der Harnblase, an Operationsnarben und anderen Orten an. In Milz, Lunge, Nieren, Gehirn und im Skelett sind sie selten.
Endometriose betrifft fast ausschließlich Frauen vor den Wechseljahren. Alarmierend ist, dass zwischen den ersten Symptomen und der Diagnose im Schnitt 10 Jahre vergehen. Frauen sind in dieser Zeit psychisch sehr belastet, fehlen häufiger im Job und suchen Rat bei verschiedenen Ärzten, wo sie teils „unnötige oder nicht zielführende diagnostische und therapeutische Maßnahmen“ bekommen.
Bei der Diagnose hat sich eine Klassifikation mit ENZIAN anhand von Ultraschall- und eventuell MRT-Befunden sehr bewährt. Sie beschreibt Ort und Ausdehnung der Herde so gut, dass auch die Therapie inklusive OP gezielt geplant werden kann. ENZIAN erfasst allerdings nicht die Parameter Schmerz und Sterilität und lässt auch keine Prognose zu.
Dem Schmerz als Leitsymptom widmet die Leitlinie entsprechend viel Aufmerksamkeit. Die Autoren diskutieren das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell und unterscheiden drei Arten von Schmerz:
Therapie der Wahl sind Hormone zum Senken des Östrogenspiegels und/oder eine meist minimalinvasive Entfernung der Herde. Wenn beides nicht möglich ist oder die Schmerzen trotzdem bestehen bleiben, rät die Leitlinie zu Medikamenten – bei nozizeptiven Schmerzen vor allem zu NSAR, bei den anderen beiden Schmerzarten zu Antidepressiva, Antikonvulsiva und cannabisbasierten Mitteln. Bei chronischen Schmerzen sollte man eine interdisziplinäre, multimodale Schmerztherapie anbieten.
Ein weiteres wichtiges Thema der Leitlinie ist ein unerfüllter Kinderwunsch. Jede zweite Frau, die keine Kinder bekommen kann, hat eine Endometriose. Diese trägt auf zwei Wegen zum Problem bei: Zum einen stören die Herde die Fruchtbarkeit an sich, zum anderen verändern sie „die gelebte Sexualität“ – die Endometriose führt oft zu Schmerzen beim Sex und sekundär zu geringem sexuellen Verlangen. Eine Hormontherapie kann daran offenbar wenig ändern, doch eine Operation erhöht die Fruchtbarkeit. Klar ist auch: Da der Endometriose-Peak zwischen 35 und 45 Jahren liegt, sollte ein Paar, das sich grundsätzlich ein Baby wünscht, nicht zu lange mit dem Kinderkriegen warten.
Die Leitlinie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Andreas Weilguny, Unsplash