Die Anwendung oraler Kortikosteroide (OCS) ist bei vielen Asthmapatient*innen zu einem bestimmten Zeitpunkt im Krankheitsverlauf unverzichtbar und wird von nationalen wie internationalen Leitlinien zur kurzfristigen Behandlung akuter Exazerbationen empfohlen. Gleichzeitig warnen sie jedoch vor einer längeren Anwendung – insbesondere als Dauertherapie –, um systemische Nebenwirkungen zu vermeiden.1–3
Im deutschen Versorgungsalltag werden OCS in allen Asthma-Stufen verschrieben – besonders häufig in den GINA-Stufen 3 (36,5 %) und 4 (29,4 %). Damit stellen sie für alle Asthma-Patient*innen ein relevantes Risiko dar.4
Aufgrund ihres breiten Wirkungsspektrums sind OCS mit einer Vielzahl von Nebenwirkungen assoziiert. Deren Auftreten hängt von der Dauer und Dosierung der OCS-Behandlung ab und kann bei Langzeitgebrauch u. a. zu Osteoporose und Katarakt bis zu kardiovaskulären, metabolischen und psychischen Komplikationen führen.5 Um das Risiko für systemische Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten, empfehlen die aktuellen Leitlinien die dauerhafte Anwendung von OCS als Erhaltungstherapie nur bei schwerem Asthma und wenn alle anderen medikamentösen Optionen (hochdosierte Triple-Therapie, Biologika) ausgeschöpft wurden.1–3
Doch auch kurzzeitige OCS-Gaben sind nicht unbedenklich. Eine große Kohortenstudie aus Großbritannien zeigte, dass bereits bei einmaligem OCS-Gebrauch ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen, wie u. a. Osteoporose, Typ-2-Diabetes und Pneumonien, besteht.6
Sind OCS unvermeidlich, sollten begleitende Maßnahmen und Zusatztherapien wie Vitamin D-Gabe und Kalziumsubstitution und regelmäßige Kontrollen von Blutdruck, Blutzucker und Körpergewicht berücksichtigt werden (Tab.1).5
Um den Bedarf von OCS – sowohl als Kurzzeitgabe als auch in der Erhaltung – dauerhaft zu reduzieren, gilt es, die Ursachen unzureichender Asthmakontrolle durch Optimierung der Therapie konsequent und umfassend anzugehen.1 Diese sechs praxistauglichen Stellschrauben können dabei helfen, den OCS-Bedarf zu reduzieren.
Bereits ab Therapiestufe 1 empfehlen die aktuellen Leitlinien, bei Bedarf Formoterol (oder SABA) immer in Kombination mit einem inhalativen Kortikosteroid (ICS) einzusetzen. Die alleinige Anwendung von SABA zur Bedarfstherapie gilt als überholt und wird nicht mehr empfohlen.1–3 Eine ICS-haltige Therapie reduziert nachweislich die Symptomlast und das Risiko für Exazerbationen.1–3 Die Verhinderung von Exazerbationen ist entscheidend, um die Notwendigkeit für eine OCS-Behandlung zu reduzieren.1
Auch ICS haben in höheren Dosen und über einen längeren Zeitraum der Einnahme ein erhöhtes Risiko für lokale und systemische Nebenwirkungen – wenn auch in einem wesentlich geringeren Ausmaß als OCS. Aus diesem Grund empfehlen alle aktuellen Leitlinien, bei unkontrollierten Asthmapatient*innen unter mitteldosierter ICS + LABA-Therapie (Stufe 3) zunächst ein LAMA add-on (Stufe 4), statt einer ICS-Dosiserhöhung:
* fixe Wirkstoffkombination in einem Inhalator
Wenn bei schwerem Asthma die hochdosierte Triple-Therapie (maximale inhalative Therapie Stufe 5) nicht zu einer guten Asthmakontrolle führt, sollten laut aktuellen Leitlinien vor der Einleitung einer dauerhaften OCS-Therapie unbedingt Biologika in Betracht gezogen werden.1–3 Darüber hinaus kann die Behandlung mit Anti-IL-5-(R)-Antikörpern laut der NVL Asthma 2024 ermöglichen, die OCS-Therapie zu reduzieren oder sogar ganz zu beenden.2
Voraussetzung dafür ist die Ausschöpfung der maximalen inhalativen Therapie – also eine Triple-Therapie aus ICS + LABA + LAMA – und deren Weiterführung auch nach Beginn der Biologika-Therapie.2
Selbst die wirksamste Therapie kann nur helfen, wenn sie regelmäßig und korrekt angewendet wird. Eine unzureichende Adhärenz und/oder Inhalationstechnik betrifft mindestens 1 von 2 Asthmapatient*innen und hat einen negativen Einfluss auf den Therapieerfolg.1,14,15
Alltag und Lebensstil der Patient*innen beeinflussen den Krankheitsverlauf maßgeblich – und bergen oft ungenutzte Potenziale. Wer hier gezielt ansetzt, kann das Risiko für Exazerbationen reduzieren und dadurch möglicherweise OCS-Anwendungen vermeiden. Nicht-medikamentöse Maßnahmen, die von den aktuellen Leitlinien empfohlen werden, sind unter anderem:1–3
Viele Asthmapatient*innen – insbesondere Patient*innen mit schwer zu behandelndem oder schwerem Asthma – leiden zusätzlich unter Komorbiditäten wie:1
Diese Begleiterkrankungen können die Symptomlast verstärken und die Asthmakontrolle beeinträchtigen. Eine gezielte Diagnostik und individuelle Behandlung von Komorbiditäten sollten deshalb Teil einer vollumfänglichen und personalisierten Asthmatherapie sein.1
Fußnoten
OCS: Orale Kortikosteroide; ICS: Inhalative Kortikosteroide; LABA: Langwirksamer Beta-2-Agonist; SABA: Kurzwirksamer Beta-2-Agonist; LAMA: Langwirksamer Muskarin-Antagonist
Referenzen
Bildquelle: KI-generiert