Rauchen erhöht das Risiko für so ziemlich alles – bei Colitis ulcerosa hat es jedoch einen Schutzeffekt. Forscher sind dem Mechanismus jetzt auf die Spur gekommen. Geht das bald auch ohne Zigaretten?
Forscher haben die biochemischen Hintergründe entschlüsselt, warum Rauchen Menschen mit Colitis ulcerosa, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, einen gewissen Schutz bietet. Im Fokus stehen dabei Bakterien aus dem Mundraum und bestimmte Stoffwechselprodukte, die mit dem Tabakkonsum im Darm für Veränderungen sorgen.
Schon lange ist bekannt, dass Rauchen das Risiko bei Morbus Crohn erhöht, aber eine schützende Wirkung bei Colitis ulcerosa hat. Beide Erkrankungen betreffen zwar den Darm, unterscheiden sich aber in Ursache und Verlauf. Das Forscherteam untersuchte, ob das Darmmikrobiom hinter den unterschiedlichen Effekten steckt. Sie analysierten eine Kombination aus Patientendaten und Daten von Mäuse-Modellen. Das Ergebnis: Im Darm von Rauchern mit Colitis ulcerosa wuchsen auffällig viele Bakterien, darunter verschiedene Streptococcus-Arten, die sonst nur im Mund vorkommen – und das direkt in der schützenden Schleimhaut des Dickdarms. Ehemalige Raucher zeigten diese Besonderheit nicht.
Was bringt die Mundbakterien dazu, sich im Darm anzusiedeln? Die Forscher untersuchten dazu verschiedene Metabolite im Darm. Bei Rauchern mit Colitis ulcerosa hat man eine deutlich höhere Menge der untersuchten Metabolite gefunden, als bei ehemaligen Rauchern. Besonders Hydrochinon, ein Stoff, der bei Rauchern vermehrt entsteht, förderte in Mäusen gezielt das Wachstum von Streptococcus-Arten in der Darmschleimhaut.
Das Team isolierte zehn Bakterienstämme aus dem Speichel von Rauchern und setzte sie Mäusen mit künstlich ausgelöster Colitis oder Morbus Crohn zu. Streptococcus mitis verhielt sich dabei fast wie der „Rauchereffekt“ selbst: Bei Colitis-Mäusen milderte das Bakterium die Entzündung, bei Crohn-Mäusen verschlechterte sich dagegen der Zustand. Der Grund: Streptococcus mitis kurbelt die Produktion von Th1-Helferzellen an.
Trotz der schützenden Wirkung ist das Rauchen keine empfehlenswerte Option für Colitis-Patienten, da das allgemeine Krankheitsrisiko steigt. Hiroshi Ohno fasst zusammen: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Verlagerung von Bakterien aus dem Mund in den Darm, insbesondere solche der Gattung Streptococcus, und die anschließende Immunantwort im Darm der Mechanismus ist, durch den Rauchen zum Schutz vor der Krankheit beiträgt.“ Seine Hoffnung: Therapien mit den passenden Bakterien oder mit Hydrochinon könnten die positiven Effekte nutzen – ohne die Gefahren des Rauchens.Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung. Wir haben sie euch hier und im Text verlinkt.
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