Frau K. geht es nicht gut, sie hat Fieber und Kopfschmerzen – wirkt erstmal wie ein grippaler Infekt. Plötzlich kommt eine zunehmende Verwirrtheit dazu. Was ist hier los? Teste dein klinisches Wissen und begleite die Patientin bis zur Diagnose.
Als die 45-jährige Frau K. an diesem Morgen aufwacht, ist sie nicht mehr dieselbe wie vor zwei Tagen. Zuerst war es nur ein leichter Schnupfen, etwas Müdigkeit, Glieder- und Kopfschmerzen – nichts, was sie nicht schon öfter gehabt hätte. „Ein grippaler Infekt“, denkt sie, bleibt zu Hause, trinkt Tee, versucht zu schlafen. Doch das Fieber steigt weiter, bis auf 39,5 °C. Dann bemerkt ihr Mann etwas Beunruhigendes: Sie wirkt verändert, fragt wiederholt nach denselben Dingen, vertauscht die Ereignisse der letzten Tage. Als sie nicht mehr genau weiß, wie es überhaupt angefangen hat, besteht er darauf, zum Hausarzt zu fahren.
Der Hausarzt findet keine Pneumonie, keine offensichtliche bakterielle Infektion – aber etwas stimmt nicht. Frau K. ist zwar orientiert, doch ihre Antworten kommen verzögert, wie durch zähen Nebel. Der Verdacht auf eine ernsthafte Erkrankung wächst und noch am selben Vormittag schickt er sie weiter ins Krankenhaus. Auf die Einweisung schreibt er „Ausschluss Meningitis“.
Frau K. kommt zu dir in die Notaufnahme. Während das Team bereits Vitalwerte erhebt und Blut ins Labor schickt, beginnst du mit der Anamnese und körperlichen Untersuchung. Du erhältst folgende Informationen:
Du klärst die Patientin über die notfallmäßig indizierte Lumbalpunktion (LP) auf. Die Gerinnungswerte sind unauffällig, es bestehen keine Hinweise für erhöhten Hirndruck. Der LP steht also nichts im Wege und du führst sie gekonnt durch. Parallel werden Blutkulturen abgenommen.
Nach erfolgter Lumbalpunktion und Entnahme der Blutkulturen startest du die sogenannte Triple-Therapie mit Ceftriaxon, Ampicillin und Aciclovir.
Durch die ersten Ergebnisse der Liquordiagnostik bist du erst einmal erleichtert: Die bakterielle Meningitis ist so gut wie ausgeschlossen. Trotzdem wird Frau K. zur Sicherheit weiter antibiotisch behandelt, bis die Erregerdiagnostik vorliegt. Diese Ergebnisse trudeln über die nächsten zwei Tage ein, Stück für Stück werden Verdächtige von der Liste gestrichen. Bakterien-PCR: negativ. HSV, VZV, FSME: negativ. Borrelien: kein Hinweis. Ein Treffer ist schließlich die Enteroviren-PCR, welche positiv zurückkommt.
Mit dem positiven Nachweis der Enteroviren ist die Ursache der Beschwerden von Frau K. geklärt: eine virale Meningitis durch Enteroviren. Diese Erreger sind hierzulande die häufigste Ursache viraler Meningitiden – besonders im Sommer und Frühherbst. Sie können aber zu jeder Jahreszeit auftreten. Die Infektion verläuft in der Regel selbstlimitierend und hinterlässt keine bleibenden Schäden. Eine spezifische antivirale Therapie existiert nicht, die Behandlung ist rein symptomatisch.
Da bakterielle und virale Meningitis initial nicht sicher unterscheidbar sind, war die sofortige kalkulierte Antibiotikatherapie bei Aufnahme absolut richtig. Auch wenn von Anfang an vieles für die virale Meningitis gesprochen hat, geht man in solchen Fällen lieber auf Nummer sicher. Eine stationäre Überwachung ist auch bei viraler Meningitis sinnvoll, obwohl sie meist ohne spezifische Therapie folgenlos ausheilt.
Auch eine virale Meningitis kann Komplikationen nach sich ziehen, die je nach ursächlichem Erreger mehr oder weniger wahrscheinlich sind: Zur Meningitis kann eine Enzephalitis mit Bewusstseinsstörungen, Delir oder epileptischen Anfällen hinzukommen. Dies kann lebensbedrohlich werden und eine Intensivtherapie erfordern. Bei Frau K. fällt rückblickend ihre leichte psychomotorische Verlangsamung und die berichtete Desorientierung auf – möglicherweise nur Fieberfolgen, vielleicht aber auch ein Hinweis auf eine milde enzephalitische Beteiligung.
Nachdem die Diagnose steht, werden die Antibiotika und Aciclovir abgesetzt. Schmerzmittel werden weiter nach Bedarf gegeben. Schon nach drei Tagen geht es bergauf: Kopfschmerzen und Erschöpfung lassen nach, das Fieber ist verschwunden, der Blick wieder klar. Am fünften Tag verlässt Frau K. die Klinik – gesund und ohne Folgeschäden.
Meyding-Lamadé et al.: Virale Meningoenzephalitis, S1-Leitlinie, 2025. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.)
Pfister, Klein et al.: Ambulant erworbene bakterielle Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter, S2k-Leitlinie, 2023. Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.).
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