Akquisitionen sind in der pharmazeutischen Industrie wahrlich keine Seltenheit. Ein aktueller Deal überrascht aber durch seine Größenordnung: Pfizer versucht, AstraZeneca für mehr als 100 Milliarden Euro zu erwerben – bislang ohne Erfolg.
Für Pfizer gehören Fusionen schon fast zum Tagesgeschäft. Zwischen 2000 und 2009 standen Warner Lambert, Pharmacia und Wyeth auf dem Einkaufszettel. Dafür zahlte der Konzern hohe, zweistellige Milliardenbeträge. Jetzt ist AstraZeneca auf der konzerneigenen Wunschliste gelandet. Nachdem erste Sondierungsgespräche im Januar erfolglos abgeschlossen wurden, geht der Poker jetzt in eine neue Runde. Das Angebot beläuft sich auf 101 Milliarden Dollar, später sogar auf 106 Milliarden Dollar, was einem der größten Zusammenschlüsse der Pharmageschichte entspricht. Eine weitere Erhöhung gilt Analysten zufolge als wahrscheinlich. AstraZeneca lehnte dankend ab. Der Konzern ist auf eine Fusion nicht zwangsläufig angewiesen, obwohl sich manche Aktionäre und Strategen darüber freuen würden.
Dass Pfizer nach interessanten Firmen sucht, scheint nicht verwunderlich: Die Firma hat Probleme, aus eigener Kraft, sprich mit eigenen Innovationen, zu wachsen. Zahlreiche Hersteller spüren auch am eigenen Leibe, dass mehr und mehr Blockbuster ihren Patentschutz verlieren. Generika sind hart umkämpft. Und aus eigenen Forschungslabors kommen momentan nur wenige Präparate. Sollte die Fusion glücken, hätte der neue Konzern jedoch Präparate gegen Diabetes, Rheuma oder Herzerkrankungen parat. Darüber hinaus sind bei AstraZeneca vielversprechende Moleküle in der Pipeline - etwa zur Stärkung des Immunsystems bei Krebserkrankungen. Pfizer selbst hofft auf Crizotinib (Xalkori®). Wissenschaftler testen den Tyrosinkinase-Inhibitor bei ALK-positiven (anaplastic lymphoma kinase) Bronchialkarzinomen. Von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA wurde Crizotinib „unter Auflagen“ zugelassen. Weitere Nachweise für den Nutzen des Arzneimittels sind erforderlich.
Wirtschaftsexperten sehen aber noch einen ganz anderen Beweggrund für die Fusion. Pfizer plant, für das neue Unternehmen eine Holding in Großbritannien einzutragen – auch wenn sich die Zentrale in New York befinden soll. Gewinne von AstraZeneca blieben somit von amerikanischen Steuern verschont. Darüber hinaus sollen Pfizer etwa 70 Milliarden Dollar außerhalb der Vereinigten Staaten zur Verfügung stehen – ideal, um andere Unternehmen aufzukaufen, ohne den US-Fiskus zu bereichern. Grund genug für den Pfizer-Chef Ian Read, auch über eine feindliche Übernahme laut nachzudenken.