Harnwegsinfektionen bei Männern sind in der Regel als kompliziert einzustufen. Bei mehr als 90 Prozent aller Patienten mit fieberhaften Infektionen tritt gleichzeitig eine Prostatitis auf. Männer mit Diabetes Mellitus sind besonders gefährdet.
Dass Männer seltener als Frauen an einer Zystitis oder Pyelonephritis leiden, hat mehrere Gründe. Bei ihnen ist die Harnröhrenöffnung weiter vom Anus als potenziellem Erregerreservoir entfernt. Außerdem ist die Harnröhre länger. Und nicht zuletzt werden dem Prostatasekret antibakterielle Eigenschaften zugeschrieben. Treten trotzdem Beschwerden auf, raten Experten der S3-Leitlinie „Epidemiologie, Diagnostik, Therapie Prävention unkomplizierter erworbener Harnwegsinfektionen“ zur Vorsicht.
„Harnwegsinfektionen bei Männern sollten in der Regel als komplizierte Infektionen eingeschätzt werden, da die Prostata als parenchymatöses Organ mit betroffen sein kann“, warnen die Leitlinienautoren. Deshalb sollte immer eine differenzierte Abklärung erfolgen. Mehr als 90 Prozent aller Patienten mit fieberhaften Infektionen und Temperaturen über 38 Grad haben gleichzeitig eine Prostatabeteiligung als Prostatitis. Bei ihnen erhöhen sich prostataspezifische Antigene stark, wenn auch vorübergehend. Das Organ ist angeschwollen und schmerzhaft. Während asymptotische Bakteriurien ohne sonstige Begleiterkrankungen nicht antibiotisch behandelt werden sollen, gelten rezidivierende Harnwegsinfekte als problematisch. Hier könnte die Prostata beteiligt sein. Deshalb lohnt es sich, gezielt Beschwerden wie Beckenschmerzen, Harnträufeln u.a. abzuklären. Standardisierte Fragebögen wie der Internationale Prostata Symptomen Score (IPSS) beziehungsweise der Chronische Prostatitis Symptomen Index (CPSI) eignen sich, um die Schwere abzuschätzen. Bei rezidivierenden Erkrankungen ist neben anatomischen und neurologischen Untersuchungen des Harntrakts auch eine gezielte Prostatadiagnostik erforderlich. Dazu gehört die sogenannte Vier-Gläser-Probe mit separater Untersuchung von Ersturin, Mittelstrahlurin, Prostataexprimat und Urin nach der Prostatamassage. Auch die Ejakulatanalyse kann hilfreich sein, um Entzündungen aufzuspüren.
Neben Prostatabeschwerden gelten Stoffwechselerkrankungen als weiterer Risikofaktor. Die Gefahr, bei Diabetes mellitus an einer Harnwegsinfektion zu erkranken, ist bei Männern fast 20 Mal größer als bei Geschlechtsgenossen ohne die Grunderkrankung. Bei einer instabilen Stoffwechselsituation und bei diabetischen Spätkomplikationen sind Harnwegsinfektionen der Leitlinie zufolge immer als kompliziert einzustufen. Darauf deuten HbA1c-Werte über 8,5 Prozent, Hypo- und Hyperglykämien in der Vorgeschichte, aber auch BMI-Werte über 30 kg/m2 hin. Diabetische Nephropathien ab Stadium II sind weitere Warnzeichen. Letztlich begünstigt eine Glukosurie die Kolonisation der Harnwege durch pathogene und fakultativ pathogene Mikroorganismen. Ohne derartige Risikofaktoren können Harnwegsinfekte auch bei Diabetes mellitus als stabil eingestuft werden.