Mein Patient ist sich unsicher: Darf er nach seiner OP schon wieder Auto fahren? Wie ihr eure Patienten richtig beratet und wie lange die Fahrpause sein sollte.
Ein Text von Prof. Dr. Oliver Tobolski
Ein Patient mittleren Alters zeigte drei Wochen nach einer arthroskopischen Meniskusteilresektion eine unauffällige Beweglichkeit des Knies – vollständig schmerzfrei in Streckung und Beugung. Beim Griff zum Autoschlüssel zögert er jedoch. Unsicherheit macht sich breit: Darf ich schon wieder fahren? Was passiert im Falle eines Unfalls? Und wie beurteile ich selbst meine Reaktionsfähigkeit?
Diese Fragen sind nach orthopädischen Eingriffen keine Seltenheit. Oft sorgen unterschiedliche Informationen aus dem Umfeld für Verwirrung. Eine klare medizinische Einschätzung ist hier essenziell. Doch wie geht das? Mittels moderner 3D-Bewegungsanalyse mit Oberflächen-EMG lassen sich Kraftverläufe, asymmetrische Aktivierungsmuster und Reaktionszeiten in realitätsnahen Fahrsitzpositionen objektiv erfassen. Damit wird sichtbar, was klinisch oft verborgen bleibt – und gezieltes Training kann eingeleitet werden, noch bevor der erste Fahrversuch stattfindet. Ein Fahrsimulator wird nur eingesetzt, wenn klinische Tests noch Unsicherheiten offenlassen. In diesen Fällen dient er als Absicherungsinstrument, nicht als primäres Entscheidungskriterium.
Was viele nicht wissen: Auch rechtlich ist die Situation heikel. Eine Fahrt trotz eingeschränkter Mobilität kann den Versicherungsschutz gefährden – vor allem dann, wenn keine ärztliche Einschätzung zur Fahrtauglichkeit vorliegt. Nach einer Operation besteht Versicherungsschutz in der Regel nur dann, wenn die körperliche Fahreignung nachgewiesen ist. Eine ärztliche Bescheinigung ist im Streitfall oft entscheidend.
Die folgenden Zeiträume gelten als grobe Richtwerte für den Wiedereinstieg in die aktive Fahrzeugführung:
Der sichere Wiedereinstieg ins Autofahren erfordert eine strukturierte Kombination aus funktionellem Training, individueller Analyse und gezielter Beratung. Schmerzadaptives Mobilisationstraining sollte mit neuromuskulärer Kontrolle und Koordination auf instabilen Untergründen kombiniert werden. Eine EMG-basierte Bewegungsanalyse liefert objektive Parameter zur Bewertung von asymmetrischen Bewegungsmustern oder verzögerten Reaktionszeiten – insbesondere im Seitenvergleich nach gelenkerhaltenden oder gelenkersetzenden Operationen.
Zudem ermöglichen Videoanalyse und standardisierte Reaktionstests eine präzise Verlaufskontrolle. Ergonomisches Training in Bezug auf Sitzposition, Pedalbedienung und Blickführung ergänzt die Vorbereitung. Fortschritte werden messbar, das gibt Motivation – und Sicherheit. Der Fokus liegt dabei stets auf Sicherheit, nicht auf Geschwindigkeit der Rückkehr.
Patienten sollten darüber informiert werden, dass eine Fahrt ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt und ohne Dokumentation der Mobilität problematisch sein kann, speziell im Hinblick auf Versicherungsschutz und Haftungsfragen. Eine klare Empfehlung zur Durchführung diagnostischer Tests, kombiniert mit einer ärztlichen Stellungnahme, schützt nicht nur Patient und Arzt, sondern ermöglicht auch die Sicherheit im Straßenverkehr.
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