Als Booster bei sportlichen Leistungen ist Kreatin schon lange bekannt und beliebt. Aber gibt es auch einen Nutzen für Patienten mit Alzheimer-Demenz? Eine aktuelle Studie sucht nach Antworten.
Fällt der Begriff Kreatin, gehen die Gedanken meist in Richtung Sport. Besonders Kreatin-Monohydrat (CrM) erfreut sich als Nahrungsergänzungsmittel im Kraft- und Schnellkraftsport großer Beliebtheit. Es dient hier primär als Energiespeicher für kurze, explosive Belastungen, da es die schnelle Regeneration von Adenosintriphosphat (ATP) – dem Treibstoff für Muskelarbeit – unterstützt und so Muskelermüdung verzögert.
Das hohe Ansehen, das Kreatin in der Sportszene genießt, beruht darauf, dass es eine körpereigene Substanz ist, die überwiegend in der Leber, aber auch in Nieren, Pankreas, Milz und Gehirn aus den Aminosäuren Glycin, Arginin und Methionin synthetisiert wird. Zudem wird Kreatin mit tierischer Nahrung aufgenommen. Die endogene Synthese beträgt etwa 1–2 Gramm pro Tag und deckt damit etwa die Hälfte des täglichen Bedarfs gesunder Erwachsener.
Bei normaler Ernährung und außerhalb des Leistungssports besteht in der Regel kein Bedarf für eine zusätzliche Supplementierung. Entsprechende Präparate enthalten in der Regel CrM, denn dessen Dosierung und Wirkung sind am besten wissenschaftlich untersucht. Andere Verbindungen wie Kreatin-Malat, -Ester oder -Citrat sind weniger erforscht und spielen für die Leistungssteigerung in kontrollierten Studien keine Rolle. Ein Aspekt, der in der Sportszene fast völlig ausgeklammert wird: Mögliche Effekte einer gesteigerten Kreatinversorgung auf kognitive Leistungen und gar antidemenzielle Potenziale.
Quelle: Nebel: Creatine in sports – an ergogenic supplement?
Mit über 50 Prozent ist die Alzheimer-Krankheit (AD) die häufigste Form demenzieller Erkrankungen. Neben Amyloid-Plaques und Tau-Proteinen als Kennzeichen zeigen präklinische Studien, dass auch Störungen im zerebralen Energiestoffwechsel, besonders die Kreatin-abhängige ADP-zu-ATP-Regeneration, für Entstehung und Verlauf bedeutsam sein könnten.
Einzelne Studien (hier und hier) untersuchen die Auswirkungen einer verbesserten Kreatin-Versorgung auf kognitive Fähigkeiten bis hin zur Prävention bzw. Progressionshemmung von Alzheimer-Symptomen. In Tiermodellen konnten mit Kreatin-Supplementierung Verbesserungen der Kognition und Reduktionen Alzheimer-typischer Pathologien erzielt werden. Dennoch fehlt es bislang an belastbaren Belegen aus klinischen Humanstudien. Dies versucht nun ein Forschungsteam der Universität Kansas mit einer ersten Pilotstudie zu adressieren.
In einer einarmigen Pilotstudie wurde untersucht, ob eine hochdosierte Kreatin-Monohydrat-Supplementierung – 20 g/Tag über acht Wochen – bei Alzheimer-Patienten das zerebrale Kreatinlevel und die Kognition positiv beeinflusst. Die Studie umfasste 20 Personen (Durchschnittsalter: 73 Jahre), alle mit gesicherter AD-Diagnose. Vor Therapiebeginn lag eine kontinuierliche Einnahme antidemenzieller Medikation vor. Wichtige Ausschlusskriterien waren etwa insulinpflichtiger Diabetes, kürzlich abgeschlossene Chemo- oder Strahlentherapie, Herzereignisse und andere neurodegenerative Erkrankungen.
Die Einnahme von CrM erfolgte täglich gelöst in einem beliebigen Getränk, dokumentiert durch CrM-Tracker und Angehörige. Biochemische und kognitive Parameter wie Serum-Kreatin, Plasmakonzentration von phosphoryliertem Tau-Protein (pTau217), Mini-Mental-Status-Test und die NIH Toolbox Cognition Battery wurden zu Beginn, nach 4 und nach 8 Wochen erhoben; zudem wurde vor und nach der Intervention die zerebrale Kreatinkonzentration mittels MR-Spektroskopie bestimmt.
Alle Teilnehmer absolvierten die achtwöchige Intervention, die Adhärenz lag bei 90 Prozent. Insgesamt traten 13 milde Nebenwirkungen in Form von Muskelkrämpfen/-schmerzen, Diarrhoe, Übelkeit, Gesichtsrötung oder Schlafstörungen auf, die jedoch meist vorübergehend waren. Im Serum stieg der mittlere Kreatinwert sehr deutlich an, im Gehirn zeigte sich eine moderate, aber signifikante Steigerung der Kreatin-Konzentration um 11 Prozent. Geschlechtsspezifische Unterschiede gab es nicht.
Beim Mini-Mental-Status-Test gab es keine signifikante Verbesserung. Die kognitive Gesamtleistung in der NIH Toolbox stieg jedoch signifikant an, ebenso Einzelaspekte wie fluide Intelligenz, Arbeitsgedächtnis, Aufmerksamkeit und Worterkennung beim lauten Lesen. Keine getestete kognitive Funktion verschlechterte sich.
Ob Kreatin-Supplementierung das Fortschreiten von Alzheimer deutlich beeinflusst, bleibt offen. Die geringe Teilnehmerzahl wie auch das einarmige Studiendesign setzen den Aussagewert stark herab, dennoch liefert die Studie wichtige Impulse: Orale Kreatin-Monohydrat-Gabe kann moderate Erhöhungen des zerebralen Kreatin-Spiegels erreichen, ist gut verträglich und zeigt keine Hinweise auf kognitive Verschlechterung. Die im Sport früher übliche „Ladephase“ mit 20 g Kreatin täglich gilt heute als überholt und potenziell riskant – empfohlen werden dauerhaft geringere Mengen von 3–5 g/Tag.
Für Hochbetagte fehlen Langzeitdaten zu Sicherheit und Nutzen höherer Dosen, und ob geringere Mengen überhaupt ausreichend wirken würden, ist offen. Halten wir also fest: Kreatin könnte in der Alzheimer-Therapie ein ergänzender Baustein sein – sofern Studien mit mehr Teilnehmern und längerer Beobachtung diese Effekte bestätigen.
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