Forscher fanden nun heraus, warum phosphatreiches Essen den Blutdruck erhöhen und Gefäßverkalkungen verursachen kann. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Hormon FGF23. Es reguliert den Kalzium- und Natriumhaushalt über die Nieren.
Stark phosphathaltige Lebensmittel sind beispielsweise Schmelzkäse, Parmesan, aber auch Cola, Backpulver und Fertigprodukte im Allgemeinen. Phosphat wird in der Lebensmittelindustrie vor allem zur Konservierung und Säurestabilisierung verwendet. Zu viel Phosphat stimuliert die Produktion des Hormons FGF23. Forscher vom Institut für Physiologie, Pathophysiologie und Biophysik an der Vetmeduni Vienna haben nun gezeigt, dass ein hoher FGF23-Spiegel Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System und die Verkalkung der Blutgefäße hat. „Wieviel Phosphat wir zu uns nehmen, ist also durchaus für unsere Gesundheit relevant“, erklärt Reinhold Erben, Leiter des Instituts. Weltweit leiden mehr als 500 Millionen Menschen an einer chronischen Niereninsuffizienz. In klinischen Studien wurde beobachtet, dass diese Patienten häufig Herz-Kreislauf Erkrankungen wie Bluthochdruck und Gefäßverkalkungen entwickeln. Der Zusammenhang zwischen Nierenleiden, dem in den Knochen gebildeten Hormon FGF23 und Herz-Kreislauf-Erkrankungen war bisher unklar.
In der aktuellen Studie zeigen die Forscher, dass FGF23 eine sogenannte natriumkonservierende Wirkung hat. Es steuert also die Rückgewinnung von filtriertem Natrium in der Niere. Mäuse, denen FGF23 fehlt, scheiden vermehrt Natrium über den Urin aus. Die Folge ist ein zu niedriger Blutdruck. Sind die FGF23-Werte in den Tieren zu hoch, steigen die Natriumwerte und dann auch der Blutdruck. Außerdem kommt es durch die erhöhten FGF23-Werte zu einer Belastung des Herzens. „In Patienten mit chronischer Nierenerkrankung sind die Phosphatwerte wie auch die FGF23-Werte chronisch zu hoch und genau das führt häufig zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, erklärt Reinhold Erben.
In einer zweiten Studie zeigen die Wissenschaftler, dass FGF23 auch eine kalziumkonservierende Wirkung hat. Kalzium wird genauso wie Natrium über die Nahrung aufgenommen, in der Niere filtriert und wieder rückresorbiert, also wieder in den Körperkreislauf aufgenommen. Funktioniert die Rückresorption nicht, verliert der Körper Kalzium. FGF23 steuert auch diese Rückgewinnung von Kalzium in der Niere. Zu viel FGF23 führt zu vermehrter Rückgewinnung von Kalzium in der Niere und folglich zu Gefäßverkalkungen. „Gerade Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz leiden häufig an Gefäßverkalkungen. Die zu hohen FGF23-Werte sind teilweise dafür verantwortlich. Unsere Ergebnisse erklären erstmals diesen Zusammenhang“, betont Olena Andrukhova, die Erstautorin beider Studien.
Das Hormon FGF23 (Fibroblast Growth Factor 23) wird im Knochen gebildet und steuert die Ausscheidung von Phosphat über die Nieren. Ist zu viel Phosphat im Körper, steigt der FGF23-Spiegel und führt zur Ausscheidung des überschüssigen Phosphats. Wird zu viel Phosphat über die Nahrung aufgenommen oder funktioniert die Ausscheidung über die Niere nicht richtig, wie zum Beispiel bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung, steigen die Phosphatwerte und die FGF23-Spiegel an. Es entsteht eine gesundheitsgefährdende Spirale mit unterschiedlichen Auswirkungen.
Die neu entdeckte Hormonfunktion von FGF23 wurde bis vor kurzem einem anderen Protein, nämlich dem αKlotho, zugeschrieben. Mehrere wissenschaftliche Publikationen gingen bisher davon aus, dass αKlotho der ausschlaggebende Faktor für die kalziumkonservierende Wirkung in der Niere ist. Erben und seine Mitarbeiter zeigen in ihren Publikationen nun, dass FGF23 diese Funktion besitzt und nicht αKlotho. αKlotho ist jedoch für die FGF23-Wirkungen essenziell, weil es als Ko-Rezeptor für FGF23 agiert. Andrukhova betont: „Das Interesse verlagert sich zunehmend von Klotho hin zu FGF23. Die Höhe des FGF23-Spiegels in Nierenpatienten gibt sogar Auskunft über deren Lebenserwartung. Mit der Hemmung von FGF23 oder seines Signalwegs könnte man die Herz-Kreislauf-Probleme und Gefäßverkalkungen eventuell in den Griff bekommen.“ Originalpublikation: FGF23 Regulates Renal Sodium Handling and Blood Pressure Olena Andrukhova et al.; EMBO Molecular Medicine, doi: 10.1002/emmm.201303716; 2014 FGF23 promotes renal calcium reabsorption through the TRPV5 channel Olena Andrukhova et al.; Journal EMBO, doi: 10.1002/embj.201284188; 2014