Influencer behaupten online, dass Sonnenschutzmittel schädlich sind – und finden damit Anklang. Wie ihr verunsicherte Patienten trotz komplexer Studienlage angemessen beraten könnt.
Kaum ein Präventionsmittel ist im Sommer so allgegenwärtig wie die Sonnencreme – und kaum eines wird so kontrovers diskutiert, auch immer wieder in den sozialen Medien. Während die einen überzeugt sind, dass Sonnenschutz zuverlässig vor Hautkrebs schützt, halten andere ihn für überflüssig oder gar schädlich (wie hier auf Instagram). Manche vermuten sogar, dass er selbst Hautkrebs begünstigt, da Menschen sich damit länger in die Sonne wagen.
Beliebt ist auch die Vorstellung, man könne sich durch eine „gesunde Bräune“ abhärten, oder dass nur Menschen mit heller Haut ein Risiko tragen. Diese Mythen halten sich hartnäckig – aktuell werden einige auf sozialen Medien wie Tiktok noch zusätzlich befeuert – und das, obwohl die wissenschaftliche Evidenz ein teilweise recht klares Bild zeichnet. So bedeutet Bräune immer eine Stressreaktion der Haut auf DNA-Schäden, und auch dunklere Hauttypen sind nicht immun gegen UV-bedingte Hautschäden und Hautkrebs.
Zu unterscheiden ist zwischen UVA-Strahlen und UVB-Strahlen. UVB-Strahlen (280–320 nm) verursachen direkte DNA-Schäden, die zu C→T-Mutationen und schließlich zu Krebs führen können. UVA-Strahlen (320–400 nm) dringen tiefer in die Haut ein und erzeugen oxidativen Stress, der ebenfalls Mutationen im Genom hinterlassen kann. Beide Strahlenarten können zudem das Immunsystem in der Haut modulieren und so die Krebsabwehr schwächen und die Entstehung von Basalzell- und Plattenepithelkarzinomen begünstigen. Beim malignen Melanom ist die Entstehung komplexer. Klar scheint allerdings, dass Sonnenbrände, vor allem in der Kindheit, das Risiko erheblich erhöhen.
In der Theorie klingt es einfach: Wer UV-Strahlen blockiert, reduziert DNA-Schäden und damit auch das Risiko für Hautkrebs. Doch wie robust ist die klinische Evidenz?
Systematische Übersichten und Metaanalysen liefern ein gemischtes Bild. In einer Auswertung von 29 Studien mit mehr als 300.000 Teilnehmern ließ sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Sonnenschutzgebrauch und Hautkrebsrisiko feststellen – weder für Melanome noch für Nicht-Melanom-Hautkrebs. Das Gesamtbild wird jedoch dadurch verzerrt, dass ältere Studien aus der Zeit vor 1980 sogar ein erhöhtes Melanomrisiko bei Sonnenschutznutzern zeigten. Seit den 1990er Jahren verschwand dieser Zusammenhang, was auf bessere Produkte, veränderte Anwendungsgewohnheiten und methodische Fortschritte zurückgeführt wird.
Als eine der wegweisenden Studien zur Hautkrebsprävention durch Sonnenschutzmittel gilt der Nambour-Trial. Dabei handelt es sich um eine randomisierte, kontrollierte Studie zur Präventionswirkung von Sonnenschutzmitteln, die in den frühen 1990er Jahren in Nambour in Australien durchgeführt wurde. Es wurden über 1.600 Teilnehmer im Alter von 20 bis 69 Jahren zufällig ausgewählt und auf zwei Gruppen verteilt: Eine Gruppe trug täglich Sonnenschutzmittel mit mindestens Lichtschutzfaktor 15 auf, die andere Gruppe nutzte Sonnenschutz nur nach eigenem Ermessen (oft selten oder gar nicht).
Die Studiendauer betrug vier Jahre, danach folgte eine weitere Beobachtungsphase über mehrere Jahre. Die tägliche Anwendung von Sonnenschutzmitteln reduzierte die Inzidenz von Plattenepithelkarzinomen um 60 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe. In einer Langzeitnachuntersuchung zeigte sich zudem, dass die tägliche Nutzung von Sonnenschutzmitteln fast die Hälfte der Melanome verhinderte. Zusätzlich wurde im Nambour-Trial auch gezeigt, dass regelmäßige Verwendung von Sonnenschutzmitteln die Hautalterung verlangsamen kann.
Zu beachten ist jedoch, dass es keine Gruppe gab, die ein Placebo-Sonnenschutzmittel hatte, da es ethisch nicht vertretbar gewesen wäre, Menschen ungeschützt der Sonne in Australien auszusetzen. Insgesamt liegt heute die beste Evidenz dafür vor, dass Sonnenschutzmittel das Risiko für Plattenepithelkarzinome und – langfristig – auch für Melanome reduzieren. Auch die Entstehung aktinischer Keratosen und UV-bedingter Hautalterung lässt sich durch Sonnenschutz bremsen. Für Basalzellkarzinome ist der Nutzen weniger klar. Möglicherweise ist der Effekt geringer oder die Latenz ist länger und die Schutzwirkung daher schwerer zu fassen.
Ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor bei der Bewertung von Sonnenschutzmitteln ist das Verhalten der Anwender. Wer Sonnencreme aufträgt, fühlt sich oft sicherer und verbringt dadurch möglicherweise mehr Zeit in der Sonne – ein Effekt, der den eigentlichen Schutz teilweise wieder aufheben kann. Hinzu kommt, dass Sonnenschutz in Studien wie auch im Alltag häufig nicht korrekt angewendet wird. Menschen nehmen zu wenig Produkt (empfohlen sind etwa 2 mg/cm² Haut), cremen zu selten nach und der UVA-Schutz ist nicht immer ausreichend. Dadurch sinkt die tatsächliche Wirksamkeit.
Auch methodische Probleme spielen eine Rolle. Beobachtungsstudien basieren häufig auf ungenauen Angaben zur Sonnenexposition und zum Cremegebrauch. Zudem neigen Menschen mit besonders hoher UV-Belastung dazu, häufiger Sonnenschutz zu nutzen und auch das kann die Ergebnisse verzerren. Schließlich beschreibt der Lichtschutzfaktor (SPF) vor allem den Schutz vor UVB-Strahlung und damit vor Sonnenbrand. Der Schutz vor UVA-Strahlen, die ebenfalls DNA-Schäden und Hautalterung verursachen, ist von Produkt zu Produkt unterschiedlich und wird durch den SPF nicht zuverlässig abgebildet.
Nicht nur Tiktok-Mythen drehen sich um die Sorge, dass Sonnenschutzmittel der Gesundheit schaden. Sonnenschutzmittel gelten zwar im Allgemeinen als sicher, doch sie sind nicht völlig frei von Risiken und Nebenwirkungen.
Hautreizungen oder allergische Reaktionen kommen selten vor und betreffen vor allem empfindliche Haut oder bestimmte chemische Filter. Substanzen wie Oxybenzon oder Octocrylen können systemisch nachweisbar sein, die klinische Bedeutung ist bislang unklar. Diskutiert wird auch ein möglicher Einfluss auf das Hormonsystem. Bei mineralischen Filtern wie Titandioxid oder Zinkoxid wird praktisch keine systemische Aufnahme beobachtet. Eine Ausnahme sind allerdings Produkte mit Nanopartikeln. Hier ist noch ungewiss, wie viel über die Haut aufgenommen wird. An sich wäre es unnötig, diese kleinsten Partikel einzusetzen. Sie haben allerdings den Vorteil, dass die Creme, anders als bei größeren Partikeln, keinen so auffälligen weißen Film auf der Haut bildet.
Ein weiteres Thema betrifft die Umwelt: Bei manchen chemischen Filtern wurde gezeigt, dass sie Korallenriffe und marine Ökosysteme schädigen. Aus diesem Grund sind in einigen Regionen – etwa Palau oder Hawaii – bestimmte UV-Filter bereits verboten.
Sonnenschutzmittel sind kein Rundum-Sorglos-Paket, aber ein unverzichtbarer Baustein der Hautkrebsprävention. Sonnencreme alleine reicht auch nicht – gehört aber zum Gesamtkonzept, zusammen mit Schatten, schützender Kleidung und dem Meiden der Mittagssonne. Die volle Schutzwirkung entfaltet sie auch nur, wenn sie richtig angewendet wird. Und ganz wichtig: Richtig angewendet ist die Angst vor Sonnenschutzmitteln ebenso überflüssig wie die Angst vor der Sonne selbst.
Meine Empfehlungen für Patienten
Pfeifer: Mechanisms of UV-induced mutations and skin cancer. Genome Instab Dis, 2020. doi: 10.1007/s42764-020-00009-8
Da Silva et al.: Use of sunscreen and risk of melanoma and non-melanoma skin cancer: a systematic review and meta-analysis. Eur J Dermatol, 2018. doi: 10.1684/ejd.2018.3251
Sander et al.: The efficacy and safety of sunscreen use for the prevention of skin cancer. CMAJ, 2020. doi: 10.1503/cmaj.201085
Green et al.: Reduced melanoma after regular sunscreen use: randomized trial follow-up. J Clin Oncol, 2011. doi: 10.1200/JCO.2010.28.7078
Hughes et al.: Sunscreen and prevention of skin aging: a randomized trial. Ann Intern Med, 2013. doi: 10.7326/0003-4819-158-11-201306040-00002
Leitlinienprogramm Onkologie: Evidenztabellen zur S3-Leitlinie Prävention von Hautkrebs, 2021. online
Lademann et al.: Hautkrebsprävention und Sonnenschutzcreme: Ein Update. TumorDiagnostik & Therapie, 2019. doi: 10.1055/a-0967-0347
EU: EU -Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 (EU-KosmetikV).
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