Die autosomal dominante polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD) ist die häufigste erbliche Nierenerkrankung weltweit.1 Schätzungen zufolge sind ca. 80.000 Menschen in Deutschland betroffen – mit einer genetischen Prävalenz von 1:1000.2 ADPKD ist eine fortschreitende Erkrankung, die durch langsames, kontinuierliches Zystenwachstum in beiden Nieren gekennzeichnet ist. Diese Zysten führen zu einer Vergrößerung der Nieren und schließlich zu einem Verlust der Nierenfunktion, der bei den meisten Patient*innen im Durchschnitt im Alter von 50 bis 60 Jahren eine Nierenersatztherapie erforderlich macht.1
Neben der Beeinträchtigung der Nierenfunktion zeigt die Erkrankung auch eine Vielzahl an extrarenalen Manifestationen, wie z. B. Zystenbildung in anderen Organen und kardiovaskuläre Veränderungen.1 Zusätzlich kommt es bei ADPKD-Patient*innen häufig zu Komplikationen wie Zysteninfektionen, die akute Flankenschmerzen, Fieber und Schüttelfrost verursachen. Diese erfordern eine meist prolongierte antibiotische Therapie, da der Erregernachweis oft schwierig ist.3 Ein weiteres häufiges Problem sind Nierensteine (Nephrolithiasis), die bei bis zu 20 % der Patient*innen auftreten können.1
ADPKD wird meist durch Veränderungen in zwei Genen, PKD1 und PKD2, verursacht. Bei etwa 85 % der Patient*innen betrifft die Mutation das PKD1-Gen, bei 15 % das PKD2-Gen.4 Diese Gene sind für die Herstellung von Polycystin-1 und Polycystin-2 verantwortlich. Ihre physiologische Funktion sowie der exakte Pathomechanismus der ADPKD sind bisher nicht zufriedendstellend geklärt.1
Die sogenannte „Third-Hit-Theorie“ erklärt, dass die Entwicklung von Zysten und der Krankheitsverlauf durch eine Kombination von Faktoren beeinflusst wird: Einerseits durch die Keimbahnmutation, andererseits durch eine somatische Mutation des intakten Allels später im Leben und schließlich durch weitere Nierenschädigungen, die den Krankheitsverlauf beschleunigen.4 Dies könnte erklären, warum die Krankheit sehr unterschiedliche Verlaufsformen aufweist, sowohl innerhalb einer Familie als auch zwischen verschiedenen Patient*innen.1
Ein wesentlicher Bestandteil des Basismanagements der ADPKD ist die supportive Therapie, die regelmäßige Lebensstilanpassungen umfasst: eine gesunde Ernährung, die Reduktion der Koffeinaufnahme sowie der Verzicht auf Nikotin und nephrotoxische Medikamente.1 Eine strikte antihypertensive Therapie in den frühen Krankheitsstadien kann den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen.5 Auch das Vermeiden von Übergewicht ist wichtig, da es den Verlauf der Erkrankung negativ beeinflussen kann.6
Seit 2015 steht mit Tolvaptan ein zielgerichtetes Medikament zur Verfügung, das das Zystenwachstum verlangsamen und den Verlust der Nierenfunktion verzögern kann.7 Es ist jedoch nicht in der Lage, den Verlauf der Erkrankung zu stoppen oder rückgängig zu machen.1
Bei den meisten Betroffenen führt die ADPKD zu einer terminalen Niereninsuffizienz (TNI), die eine Nierenersatztherapie wie Dialyse oder Transplantation erforderlich macht. Der Zeitpunkt des Eintritts in das Stadium der TNI variiert jedoch von Patient*in zu Patient*in. Etwa 50 % der Patient*innen erreichen die TNI bis zum 60. Lebensjahr, während rund 20–30 % der Patient*innen nie dieses Stadium erreichen.8
Behandelnde können die Prognose der ADPKD in der Regel gut einschätzen und vorhersagen, wann ein/eine Patient*in voraussichtlich das Stadium der TNI erreichen wird. Der wichtigste prognostische Faktor ist dabei die Größe der Nieren in Relation zur Körpergröße und zum Alter der Patient*innen.9 Mit dieser Information können Ärzte und Ärztinnnen frühzeitig mit den Betroffenen über mögliche Behandlungsoptionen sprechen und gemeinsam planen, was im Fall einer TNI zu tun ist. Besonders relevant ist dies, wenn eine Nierentransplantation von einem oder einer Lebendspender*in in Betracht gezogen wird.8
Wenn die Nierenfunktion auf etwa 15 % der normalen Kapazität (eGFR < 15ml/min/1,73m2) sinkt, wird in der Regel eine Dialyse notwendig. Bei ADPKD-Patient*innen mit TNI wird die Dialyse meist als erste Maßnahme eingesetzt – entweder vor oder anstelle einer Nierentransplantation.8
Allerdings stellt die Dialyse eine lebenslange Behandlung dar, es sei denn, es wird eine Nierentransplantation durchgeführt.8 Daher sollte als primäre Option eine Listung zur Nierentransplantation bzw. eine Lebendnierenspende angestrebt werden.1
ADPKD ist eine komplexe, fortschreitende Erkrankung, die sowohl die Nieren als auch andere Organsysteme betrifft. Frühe Diagnose, regelmäßige Überwachung und eine individuelle Behandlungsstrategie sind entscheidend, um den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Patient*innen zu verbessern. Insbesondere die Option einer Nierentransplantation sollte frühzeitig in Betracht gezogen werden, um den Patient*innen bestmöglich auf den Übergang in das Stadium der terminalen Niereninsuffizienz vorzubereiten.
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