Das Multiple Myelom (MM) ist eine maligne Neoplasie aus der Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome und geht aus entarteten Plasmazellen des Knochenmarks hervor. Es handelt sich um eine systemische Erkrankung, bei der sich monoklonale Plasmazellen im Knochenmark unkontrolliert vermehren und dabei funktionstüchtige Zellen verdrängen. Diese Zellen produzieren meist Immunglobuline, sowohl vollständige als auch inkomplette, sogenannte Paraproteine, die im Serum oder Urin nachweisbar sind.
Die Erkrankung betrifft vor allem ältere Menschen: Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Männern bei 72 und bei Frauen bei 74 Jahren. Mit etwa 6-8 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner* jährlich zählt das MM zur zweithäufigsten hämatologischen Neoplasie in den westlichen Industrieländern.1,2
Die Ätiologie des Multiplen Myeloms ist bislang nicht abschließend geklärt.1 Als sicherer Risikofaktor gilt das fortgeschrittene Lebensalter.2 Diskutiert werden außerdem Umweltfaktoren wie Radioaktivität und Pestizidbelastung, Adipositas und chronische Infektionen.1 Eine familiäre Häufung ist selten.1
Pathogenetisch geht jedem Multiplen Myelom eine Vorläufererkrankung voraus: die monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS). Diese ist meist asymptomatisch und wird zufällig entdeckt.1 Eine weitere präklinische Form stellt das schwelende (smouldering) Myelom (SMM) dar. Die genetische Architektur des MM ist komplex; sie umfasst u. a. Trisomien und spezifische Translokationen, die Prognose und Therapieansprechen beeinflussen.1
Gut zu wissen: Die zytogenetische Analyse ist ein zentraler Bestandteil der Risikoeinschätzung beim MM und erlaubt die Unterscheidung zwischen Hochrisiko- und Standardrisikoverläufen. Eine Niedrigrisikovariante ist bisher nicht definiert.1
Die Symptome des Multiplen Myeloms sind häufig unspezifisch und entwickeln sich schleichend. Frühzeichen können Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Infektanfälligkeit sein.2 Typisch sind auch Knochenschmerzen, insbesondere im Rücken, den Rippen oder den langen Röhrenknochen, bedingt durch osteolytische Herde.2
Die pathophysiologischen Folgen umfassen die Verdrängung der gesunden Hämatopoese mit nachfolgender Anämie, eine gestörte Knochenstruktur mit Frakturrisiko und Hyperkalzämie sowie Nierenschäden durch Proteinurie und Calciumüberladung. Bis zu 25 % der Patienten sind bei Diagnosestellung beschwerdefrei.1
Gut zu wissen: Zur Klassifikation der Erkrankung wurden 2022 parallel zwei Systeme veröffentlicht - die Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (ICD-10-Code: C90.0) und die internationale Konsensus-Klassifikation (ICC). Die prognostische Beurteilung erfolgt nach dem 2016 vorgestellten revidierten internationalen Staging-System (R-ISS).1
Die Diagnosestellung basiert auf einem multimodalen Vorgehen. Zentrale Elemente sind Anamnese, Blut- und Urinanalysen, bildgebende Verfahren (z. B. CT, MRT) sowie die Knochenmarkpunktion.2 Diagnostisch wegweisend ist der Nachweis monoklonaler Plasmazellen im Knochenmark sowie monoklonaler Proteine im Serum oder Urin.2
Zur Behandlungsindikation dient die SLiM-CRAB-Kriterienkombination: Sie umfasst neben klassischen Endorganschäden (CRAB: Hyperkalzämie, Niereninsuffizienz, Anämie, Knochenläsionen) auch neue Marker (SLiM) wie freie Leichtketten, Plasmazellinfiltration ≥60 % im Knochenmark oder fokale Läsionen in der Bildgebung.1
Gut zu wissen: Schon das Vorliegen eines SLiM_CRAB-Kriteriums ist ausreichend als Indikation zum Beginn einer Therapie.1
Die Behandlung des Multiplen Myeloms richtet sich nach dem klinischen Bild und der individuellen Patientensituation. In den präklinischen Stadien (MGUS und SMM) wird üblicherweise eine “watch & wait”-Strategie mit regelmäßigen Kontrollen verfolgt. Bei einem behandlungsbedürftigen Stadium kommt für geeignete Patienten eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation infrage, die durch eine Erhaltungstherapie ergänzt wird.1 Bei nicht transplantationsfähigen Patienten kommen Kombinationstherapien mit Proteasominhibitoren, Immunmodulatoren und/oder monoklonalen Antikörpern sowie Steroiden zum Einsatz.1 Solche Kombinationstherapien sind auch bei rezidiviertem/refraktärem MM (r/r MM) zugelassen.1
Die Therapielandschaft hat sich durch die Einführung neuer Substanzen und innovativer Verfahren dynamisch weiterentwickelt. Ziel bleibt eine Verlängerung der progressionsfreien sowie der Gesamtüberlebenszeit bei gleichzeitig guter Lebensqualität und eine schnelle Symptomkontrolle.
Begleitend zur systemischen Therapie kann eine psychoonkologische Betreuung sinnvoll sein. Viele Menschen mit Krebserkrankungen wünschen sich z. B. Unterstützung im Umgang mit Ängsten bezüglich des Fortschreitens der Erkrankung. Dabei geht es vor allem um Themen im Bereich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, die Aspekte wie körperliche Beschwerden, Behandlungszufriedenheit, Sexualität und soziale Funktion umfasst. Dabei steht ein breites Spektrum therapeutischer Maßnahmen zur Verfügung, die ambulant, aber auch stationär erfolgen können.3
Gut zu wissen: Aktuelle Leitlinien orientieren sich bezüglich der Therapieempfehlungen beim r/r MM an der zuvor eingesetzten Therapie (Substanzklasse), z. B. Lenalidomid-refraktär/nicht Lenalidomid-refraktär.1
Dank intensiver Forschung hat sich die Therapie des Multiplen Myeloms in den letzten Jahren grundlegend verändert. Innovative Wirkstoffe und individualisierte Behandlungskonzepte eröffnen neue Perspektiven für Patienten– selbst bei fortgeschrittener oder refraktärer Erkrankung.
Interessiert Sie das Thema Multiples Myelom und möchten Sie im Bereich Hämatologie auf dem Laufenden bleiben? Dann folgen Sie diesem Kanal! Hier erhalten Sie regelmäßig praxisrelevante Informationen, aktuelle Erkenntnisse und therapeutische Updates – kompakt, verständlich und klinisch relevant aufbereitet.
Fußnoten:
*Das in diesem Text gewählte generische Maskulinum bezieht sich ausdrücklich auf alle Geschlechteridentitäten.
Referenzen:
NP-DE-MMU-WCNT-250003 (Aug25)