Während Patienten warten, streiten Österreichs Kassen und Ärzte über Tarife, Zuständigkeiten und Prinzipien. Seit Jahren verspricht man Lösungen – gefunden wurden nur Ausreden. Jetzt machen Ärzte mit Streiks klar: So geht’s nicht weiter.
Am 18. August 2025 haben streikende Ärzte in Kärnten, Österreich, ihre Ordinationen erst um 10 Uhr geöffnet – ein deutliches Signal an die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Nach Angaben der Ärztekammer beteiligten sich rund drei Viertel aller Kassenärzte an der Aktion. Sollte der Protest ohne Wirkung bleiben, seien auch mehrtägige Ordinationsschließungen denkbar.
Hintergrund ist ein festgefahrener Tarifstreit. Die Kärntner Ärzteschaft kritisiert, dass die derzeitigen Kassenverträge eine Obergrenze an verrechenbaren Leistungen pro Quartal festlegen. Alles, was darüber hinausgeht, werde nicht abgegolten – so der Vorwurf eines Problems, das Haus- und Fachärzte gleichermaßen betrifft. Neben dieser strukturellen Kritik fordern die Mediziner eine vollständige Inflationsabgeltung und faire Gespräche auf Augenhöhe.
ÖGK-General Direktor Bernhard Wurzer hatte erst am Vortag in einem Interview im ORF betont, man brauche endlich „einen bundesweiten Gesamtvertrag“. Das sei bereits bei der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen ein zentrales Ziel gewesen – auch mit dem Fokus, Kosten einzusparen. „Mit den Ärzten zu verhandeln, ist oft nicht so einfach“, betont Wurzer. Die Kasse müsse ihre Kosten optimieren, um die anhaltenden Defizite in den Griff zu bekommen. Bundesweit einheitliche Verträge gibt es bereits für andere Gesundheitsberufe wie etwa Logopäden oder Physiotherapeuten. Mit der Ärztekammer sei eine solche Einigung aber bisher gescheitert. Wurzer sieht die Ursache auch in den föderalen Strukturen: „Wenn neun Landesärztekammern und die Österreichische Ärztekammer zustimmen müssen, ist es sehr schwierig, einen Konsens zu finden.“
Die Ärztekammer wehrt sich gegen den Vorwurf mangelnder Kompromissbereitschaft. Präsident Johannes Steinhart bezieht in einer Presseaussendung der Österreichischen Ärztekammer Stellung: „In den vergangenen Jahren haben wir uns immer wieder als Partner mit Handschlagqualität bewiesen und Gesprächsbereitschaft gezeigt – sogar den allerorts geforderten einheitlichen Leistungskatalog haben wir in einer gehörigen Kraftanstrengung selbst ausgearbeitet und der Kasse schon vor Jahren übermittelt.“
Die Österreichische Ärztekammer stehe außerdem voll und ganz hinter dem Streik der Kärntner Ärzte: „Es ist erschütternd, dass es dazu kommen musste“, kommentiert Steinhart. „Angesichts der Blockadehaltung der ÖGK durch ihre Weigerung, ernsthafte Verhandlungen zu führen, bleibt kein anderes Mittel mehr, um auf die zunehmende Unfairness in der Kassenmedizin hinzuweisen. Wenn jetzt nicht endlich gegengesteuert wird, droht ein nachhaltiger Schaden, der möglicherweise irreparabel ist.“ Solidarität kam auch aus den anderen Bundesländern. Die Obleute der Landesärztekammern unterstrichen: „Unsere Medizin ist wertvoll und verdient die entsprechende Wertschätzung.“
Die ÖGK verweist derweil auf bereits erfolgte Anpassungen: Von 2023 auf 2024 seien die Honorare im Schnitt um 7,3 Prozent gestiegen – mehr als doppelt so stark wie der Verbraucherpreisindex. Auch in den vergangenen zehn Jahren hätten die Tarifanhebungen die Inflation deutlich übertroffen. Dennoch verlaufen die Gespräche in Kärnten ebenso wie in anderen Bundesländern schleppend. Im Herbst soll abermals über einen Gesamtvertrag gesprochen werden – ob sich Ärztekammern und ÖGK diesmal einig werden, bleibt zu hoffen. Und ob weitere Streiks folgen, darf ebenfalls mit Spannung erwartet werden.
Alles ist und bleibt also wie immer. ÖGK und Ärztekammern zeigen weiterhin nur mit dem Finger aufeinander. Man kann die Kärntner Ärzte verstehen, die sich in Sachen Tarifstreit benachteiligt fühlen. Für die Landesärztekammern, die ihren Einfluss natürlich behalten möchten, ist es wohl ein gefundenes Fressen, sich selbstverständlich hinter die streikenden Ärzte zu stellen. Die ÖGK pocht auf einheitliche Lösungen, seit Jahren. Weiter geht da aber nichts. Der Grund? Wie immer die anderen.
Die Landesärztekammern wollen in Sachen Tarifverträge nur die goldenen Früchte – will doch kein Bundesland, dass „seine“ Ärzte bei einer möglichen bundesweiten Vereinheitlichung schlechter dastehen als zuvor. Sie legten dafür bereits vor Jahren einen einheitlichen Leistungskatalog vor. Der ÖGK ist das nicht gut genug, entweder man wird sich in Sachen Tarife einig, oder es gibt eben nichts. Keiner will zurückstecken. Menschlich nachvollziehbar, praktisch wahrscheinlich unmöglich. Also was bleibt? Die Leidtragenden von all diesem politischen Hickhack – das sind und bleiben, wie so oft, die behandelnden Ärzte und die Patienten.
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