Ein Mann fällt mit dem Mountainbike und zieht sich eine komplizierte Handwurzelfraktur zu. Vierzehn Jahre später ist die Hand immer noch nicht verheilt. Hilft hier nur noch die Versteifung des Gelenks?
Ein Text von Prof. Dr. Oliver Tobolski
Die digitale Volumentomographie (DVT), aufgrund der kegelförmigen Strahlenbalken auch Cone-Beam-CT genannt, findet wegen ihrer herausragenden Bildqualität bei geringer Strahlenbelastung, zunehmend ihren Platz in der Orthopädie und Traumatologie. Dank isotroper Voxel von nur 0,2 mm lassen sich feinste knöcherne Strukturen darstellen – ein Detailgrad, den herkömmliche Röntgenaufnahmen und viele Multislice-CTs (MSCT) nicht erreichen. Einzigartig ist die Funktionsdiagnostik unter physiologischer Last: Achsfehlstellungen, Gelenkspaltverengungen und subtile Instabilitäten werden unter Gewichtsbelastung früh sichtbar. Diese dynamische Perspektive liefert wertvolle Informationen für eine individualisierte Therapieplanung und ergänzt die statische Bildgebung.
Moderne DVT-Protokolle arbeiten mit Super-Ultra-Low-Dose-Voreinstellungen, die die effektive Strahlenbelastung auf ein Niveau unterhalb herkömmlicher 2-D-Projektionsaufnahmen senken. Damit folgt die DVT strikt dem ALARA-Prinzip (As Low As Reasonably Achievable) und eignet sich als Primärdiagnostik vor aufwendigen anderen Schnittbilddiagnoseverfahren (MSCT) oder invasiven Eingriffen.
Der Scan dauert rund 20 Sekunden und erzeugt dreiachsige Datensätze (axial, koronar, sagittal) sowie ein 3D-Volumen-Rendering. Artefaktarm, selbst bei metallischen Implantaten und voll DICOM-kompatibel, integriert sich die DVT nahtlos in bestehende Praxisverwaltungssysteme, spart Zeit in der Befundung und reduziert Schnittstellen durch die sofortige Verfügbarkeit der Untersuchung beim Orthopäden. Klinische Schwerpunkte sind die exakte Frakturdiagnostik (z. B. Skaphoid, Radiusköpfchen), Darstellung osteochondraler Defekte bei Arthroseverdacht, Winkelmessungen für Achskorrekturen, 3-D-Osteotomie-Planung sowie Verlaufskontrollen nach osteosynthetischen Versorgungen.
Ein 37-jähriger Zweiradmechaniker erlitt vor 14 Jahren, nach Sturz mit dem Mountainbike, eine Skaphoidfraktur der linken Handwurzel, die anschließend klassisch mit einer Herbert-Schraube osteosynthetisch versorgt wurde. In den Verlaufskontrollen konnte keine Durchbauung des Frakturspalts beobachtet werden, sodass eine Revision mit Beckenspanauffüllung notwendig wurde. Auch unter dieser Vorgehensweise kam es nicht zu einer Durchbauung des Frakturspalts, sodass im Jahr 2014 das komplette Material entfernt wurde.
Im Jahr 2025 stellt sich der Patient mit Schmerzen in Ruhe und bei Belastung sowie ausgeprägten Bewegungseinschränkungen (Ex/Flex 30-0-70) erstmals in unserer Praxis vor. Die Schmerzen und eine erhebliche Schwellneigung der Handwurzel beeinträchtigen den Arbeitsalltag des Patienten erheblich. Das angefertigte DVT zeigt einen karpalen Kollaps mit sekundärer Osteolyse des Os scaphoideum, zystischen Läsionen des Os capitatum sowie deutlich sichtbaren arthrotischen Veränderungen der distalen Radiusgelenkfläche.
Links: Sagittale Ansicht der Handwurzel mit inkompletter Lyse des Skaphoids, Rechts: Koronarer Schnitt der Handwurzel, Lyse des Skaphoids, Arthrose der distalen Radiusgelenkfläche, Zyste im Os capitatum. Credit: O. Tobolski
Nach ausgiebiger Befundbesprechung und Auswertung des Bildmaterials (DVT) ergeben sich folgende Therapieoptionen:
Konservativ:
Operativ:
Die Bildgebung – einschließlich hochauflösender Volumentomographie – hat die exakte Lokalisation der Osteolyse und den Zustand des Gelenkknorpels erfasst. Auf dieser Basis wurde die Arthrodese empfohlen, um Revisionen zu minimieren und eine schnelle Rückkehr in den Arbeitsalltag zu ermöglichen.
Dieser Fall verdeutlicht, wie eine differenzierte Befundanalyse und ein individualisiertes Vorgehen die klinische Entscheidung optimiert. Insbesondere aktive Patienten profitieren von einer konsequenten, aber funktionell ausgerichteten Therapieplanung.
Verletzungen der Halswirbelsäule sind in der niedergelassenen Sprechstunde selten zu sehen. Der hier dokumentierte Fall zeigt das Selbstheilungspotential der HWS auch bei älteren Patienten: Ein 69-jähriger Hobbysportler kollidierte beim Mountainbiken mit einem Felsen und erlitt eine im Spiral-CT gesicherte Anderson-III-Fraktur der Densbasis mit moderatem dorsalem Versatz und nicht bedrohlicher Spinalkanaleinengung. Anderson-III-Frakturen sind ca. 20 Prozent aller Densfrakturen und die „Non union rate“ der Frakturteile liegt bei konservativem Therapieansatz bei weniger als 10 Prozent. Die breite Kontaktfläche sowie die fehlende Dislokation versprachen ausreichendes Potenzial zur spontanen Knochenheilung, sodass der Entschluss zum konservativen Vorgehen gefasst wurde.
Nach sieben Tagen stationärer Überwachung unter strikter Immobilisation und initialer Analgesie wurde der Patient mit deutlicher Empfehlung für eine Sportpause für mindestens zwölf Wochen entlassen. Die Erstvorstellung in unserer Praxis erfolgte 12 Wochen nach Entlassung. Klinisch keine Auffälligkeiten, der Patient war allerdings extrem verunsichert und schmerzgeplagt. Die DVT-Kontrolluntersuchung drei Monate nach dem Trauma zeigte eine ungleichmäßige, zunächst nur sehr zaghaft einsetzende Kallusbildung, bei eingeschränkter Beweglichkeit der HWS ohne neurologische Defizite.
Links: koronarer Schnitt, 3 Monate nach Unfall. Keine wesentliche Frakturdurchbauung, Rechts: sagittaler Schnitt, 3 Monate nach Unfall, keine Durchbauung. Credit: O. Tobolski
Dank der 3D-DVT-Rekonstruktionen konnten wir den knöchernen Heilungsverlauf präzise darstellen und die drohende Pseudarthrose frühzeitig erkennen – ohne dass wir sofort invasiv eingreifen mussten. Der Patient wünschte explizit, nach ausführlicher Besprechung der operativen Revisionsmöglichkeiten, ein weiteres konservatives Vorgehen. Die Sportpause wurde verlängert, eine milde Physiotherapie verordnet.
Sechs Monate nach dem Trauma ging der Patient trotz anfänglicher Zweifel über das konservative Vorgehen als selbstbewusster Sieger aus der Situation hervor: Die DVT-Darstellung dokumentierte nun eine vollständige Frakturdurchbauung, eine stabile Kortikalis und eine (fast) lückenlose Knochenkontinuität ohne Restinstabilität. Schmerzfreiheit und volle Belastbarkeit untermauerten den Erfolg.
Zunehmende Durchbauung des Frakturspalts in der koronaren (links) und sagittalen (rechts) Schnittbildgebung. Credit: O. Tobolski
Dieser Fall verdeutlicht, wie sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägungen und der gezielte Einsatz der DVT als Ergänzung zur klassischen CT nicht nur operative Eingriffe vermeiden, sondern auch die Patientenmotivation fördern. Geduld, engmaschige klinische Prüfung und moderne Bildgebungstechniken können, ohne das Skalpell gleich in die Hand zu nehmen, den Weg zurück in den Sport ebnen. Eine konservative Strategie ist somit keinesfalls Ausdruck von Passivität, sondern von Präzision und Vertrauen in die körpereigene Regenerationskraft.
Quellen
Breederveld et al.: Investigation of computed tomographic scan concurrent criterion validity in doubtful scaphoid fracture of the wrist. Journal of Trauma and Acute Care Surgery, 2004. doi: 10.1097/01.TA.0000124278.29127.42
Cruickshank et al.: Early computerized tomography accurately determines the presence or absence of scaphoid and other fractures. Emergency Medicine Australasia, 2007. doi: 10.1111/j.1742-6723.2007.00959.x
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Neubauer et al.: Comparison of the diagnostic accuracy of cone beam computed tomography and radiography for scaphoid fractures. Scientific Reports, 2018. doi: 10.1038/s41598-018-22331-8
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