Kritische Studien zur Bewertung öffentlicher Apotheken sind groß in Mode. Jetzt hat die Stiftung Warentest Ergebnisse einer Untersuchung veröffentlicht – mit negativen Resultaten, wie nicht anders zu erwarten war. Wieder nur das übliche Bashing oder ein Warnsignal, auf das Kollegen reagieren müssten?
Die Stiftung Warentest hat einmal mehr Apotheken unter ihre Lupe genommen. Scheinkunden untersuchten 17 Versandapotheken, die sie auf Basis einer Suchmaschinenabfrage identifizierten. Hinzu kamen 21 zufällig ausgewählte Vor-Ort-Apotheken aus den Großräumen Dresden, Frankfurt am Main und Hannover. Alle Ergebnisse erstaunen auf den ersten Blick nicht wirklich: „Apotheken beraten eher schlecht als recht.“
Zum Hintergrund: Testkäufer hatten sieben Aufgaben zu OTCs beziehungsweise Rx-Präparaten im Gepäck. Dazu gehörten Rezepte mit Wechselwirkungen, etwa Tamoxifen und Paroxetin. Kollegen mussten Arzneimittellisten auf Wechselwirkungen prüfen und Hinweise zur richtigen Einnahme von Alendronsäure geben – falls Kunden gleichzeitig noch Calciumsupplemente schluckten. Hinzu kam als Thema, mögliche Nebenwirkungen eines Phytoöstrogen-haltigen Pharmakons bei Wechseljahresbeschwerden zu interpretieren. Bei Umckaloabo sollte wiederum erklärt werden, dass das Präparat nicht bei Halsschmerzen geeignet ist. Und die Mutter eines Kleinkindes mit Brechdurchfall wollte Dimenhydrinat-haltige Zäpfchen sowie ein geeignetes Elektrolytpräparat. Bei einer Rezeptur zur Wundbehandlung musste erkannt werden, dass die Wirkstoffkonzentration zu hoch war.
Das Resümee: „Ob klassische Vor-Ort-Apotheke oder Versandapotheke: Beide Sparten kommen ihrer Beratungspflicht zu wenig nach.“ Die Redaktion äußerte sich in Teilaspekten durchaus positiv. Versender warnten eher vor Wechselwirkungen – dank automatisierter Prozesse im Bestellablauf. Auch verwenden sie laut Stiftung Warentest häufiger gängige Software, um Interaktionen zu erkennen. Im Gegenzug berieten Apotheker vor Ort besser zu OTCs. Sieben Versandapotheken und zwei Vor-Ort-Apotheken weigerten sich, eine Rezeptur herzustellen, weil sie die benötigte Substanz nicht bekamen. Unter dem Strich ergab sich aus allen Kriterien folgende Wertung: Vier Präsenzapotheken schnitten „gut“ ab, zwölf „befriedigend“, weitere fünf waren „ausreichend“. Von allen untersuchten Versandapotheken bekamen vier das Prädikat „gut“, sieben „befriedigend“, fünf „ausreichend“ und eine lediglich „mangelhaft“.
Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbands, äußerte sich via Twitter zur Studie: „Gute Beratung der Versicherten ist Aufgabe der Apotheken und dafür werden sie gut bezahlt!“ Für jedes verschreibungspflichtige Medikament bekämen Pharmazeuten „auch für die Beratung gutes Geld aus den Portemonnaies der Beitragszahler“. Als Beispiele nennt er das Imatinib (Glivec®). Aus dem Fixzuschlag und der prozentualen Vergütung ergeben sich 253,89 Euro pro Packung für die Apotheke. Bei Asthmasprays mit Ipratropiumbromid plus Fenoterolhydrobromid (Berodual® N) sind es 8,29 Euro. Doch es gibt nicht nur kritische Stimmen. Die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände bewertete entsprechende Resultate nach erster Sichtung als Verbesserung im Vergleich zu früheren Untersuchungen. Gleichzeitig wird auf rund 3.100 Fortbildungsveranstaltungen der Apothekerkammern und -verbände sowie auf Pseudocustomer verwiesen. Die Zahl an Testkäufen variiert je nach Kammerbezirk zwischen 200 (Mecklenburg-Vorpommern) und 1.000 pro Jahr (Westfalen-Lippe). Dazu einige Zahlen: Bei rund 1.000 Testkäufen in Westfalen-Lippe waren etwa 67 Prozent aller Beratungsgespräche „umfassend“ beziehungsweise „angemessen“. In nur 31 Prozent der Fälle konstatierten Testkäufer eine „verbesserungswürdige“ Situation. Allerdings haben zwei Prozent der Apotheken keine Beratung angeboten, nicht einmal auf Nachfrage. Inwieweit Testkäufe unter Qualitätsaspekten zielführend waren, lässt sich schwer belegen.
Doch zurück zur Stiftung Warentest: Rein rechtlich ist das Vorgehen selbst nicht über jeden Zweifel erhaben. Immerhin bekamen Scheinkunden von Ärzten nach Vorgaben der Redaktion 76 „Pseudorezepte“ ausgestellt, um damit zu arbeiten. Die Ärztekammer Berlin bewertet den Apothekentest deshalb als „berufsrechtlich bedenklich“. Sie behält sich eine genauere Prüfung der Sachlage vor, um gegebenenfalls weitere Schritte einzuleiten. Doch was sagen Apotheker vor Ort?
Jetzt mitdiskutieren: Sind Untersuchungen in Form von Tests sinnvoll oder verzerren sie die Realität? Warten wir auch den nächsten Test mit ähnlichen Resultaten ab oder sollten Verantwortliche handeln? Wäre es nicht an der Zeit, Rahmenbedingungen so anzupassen, dass Freiräume für eine qualitativ hochwertige Beratung bleiben? Oder sollten berufsständische Organisationen – wie vor Jahren im Kammerbezirk Westfalen-Lippe kontrovers diskutiert – eine Fortbildungspflicht durchsetzen? Lassen Sie uns wissen, was Sie über das strittige Thema denken: feedback_news@doccheck.com.