Warum sind Frauen besser gegen akutes Nierenversagen gewappnet als Männer? Forscher aus Mannheim liefern jetzt spannende Antworten – und rücken dabei ein altbekanntes Hormon ins Scheinwerferlicht.
Schon länger ist bekannt, dass Frauen seltener an akutem Nierenversagen erkranken als Männer. Dieses Phänomen wird seit den 1940er Jahren beobachtet, der genaue Mechanismus hinter diesem Unterschied war aber bislang unklar. Ein Team um Professor Dr. Andreas Linkermann von der Universitätsmedizin Mannheim hat jetzt in einer Nature-Studie neue Erkenntnisse präsentiert, die den Einfluss des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen in den Mittelpunkt stellen.
Im Fokus der Arbeit steht die sogenannte Ferroptose – eine Form des Zelltods, die mit Eisen zusammenhängt und bei Nierenschäden eine Rolle spielt. Östrogene können diese Eisen-abhängige Zellschädigung gezielt verhindern. Besonders wirksam sind dabei bestimmte Östrogen-Derivate wie 2-Hydroxyestradiol. Das Hormon agiert quasi als körpereigener Schutzmechanismus, indem es verschiedene Ferroptose-Abwehrsysteme im Körper aktiviert. Unter anderem werden dabei spezielle Radikalfänger gebildet und Veränderungen von Fetten in der Zellmembran vermindert. Mit Eintritt der Menopause und dem Rückgang der Östrogen-Produktion schwächt sich dieser Schutz ab. Das erklärt, warum Frauen ab diesem Zeitpunkt ähnlich gefährdet sind wie Männer.
Die Ergebnisse eröffnen nicht nur neue Möglichkeiten im Kampf gegen Nierenerkrankungen. Da Ferroptose auch bei anderen Leiden wie Krebs, Herzerkrankungen und Schlaganfällen eine Rolle spielt, könnten die Erkenntnisse geschlechterspezifische Unterschiede in verschiedenen Krankheitsbildern erklären – und vielleicht sogar dazu beitragen, die höhere Lebenserwartung von Frauen zu verstehen. Selbst in der Transplantationsmedizin könnten sich neue Fragen ergeben, etwa zur Widerstandsfähigkeit von Organen weiblicher Spenderinnen vor der Menopause.
Auch international stößt die Arbeit auf Resonanz: Tom Vanden Berghe, Molekularbiologe und Professor an der Universtität Antwerpen, bewertet die Studie als sehr bedeutsam für das Verständnis der Geschlechtsunterschiede beim akuten Nierenversagen „Die Arbeit stellt einen Meilenstein in unserem Verständnis der Geschlechtsunterschiede beim akuten Nierenversagen dar und erweitert die physiologische Relevanz der Ferroptose über Krebs und Neurodegeneration hinaus. Wichtig ist, dass diese Ergebnisse dazu beitragen können, die erhöhte Anfälligkeit für eine akute Nierenschädigung bei Frauen nach der Menopause zu erklären und eine rationale Grundlage für die Erforschung östrogener Metaboliten oder Ferroptosehemmer als Therapeutika zu schaffen. Da die Ferroptose als zentraler Mechanismus von Gewebeverletzungen an Bedeutung gewinnt, unterstreicht diese Studie die Bedeutung des Geschlechts als biologische Variable bei ihrer Regulierung.“
Die Pressemitteilung haben wir euch hier verlinkt.
Bildquelle: Natalia Blauth, Unsplash