Der typische Schlafapnoe-Patient ist männlich, älter und hat einen Bierbauch – wer so denkt, übersieht eine wichtige Patientengruppe. Wie ihr es besser machen könnt.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
Kennzeichen der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) sind wiederholt auftretende, verminderte (Hypopnoen) bis sistierende Atemflüsse (Apnoen) während des Schlafs, was zyklische Sauerstoffentsättigungen, Schlaffragmentierung mit Weckreaktionen (Arousals), oxidative Stresserhöhung und erhöhte Sympathikusaktivität zur Folge hat. Diese negativen Effekte sind wichtige Mediatoren des kardiovaskulären (CV), neurokognitiven und metabolischen Risikos.
Die OSA ist assoziiert mit einer Vielzahl CV-Erkrankungen wie Hypertonie, Herzinsuffizienz, koronarer Herzerkrankung, Schlaganfall und Herzrhythmusstörungen. Zusätzlich bestehen Assoziationen mit Depression, Insulinresistenz, metabolischem Syndrom, Demenzerkrankungen und einem erhöhten Unfallrisiko. OSA und CV-Erkrankungen treten häufig gemeinsam auf, was sowohl auf kausale Zusammenhänge als auch auf gemeinsame Risikofaktoren zurückzuführen ist.
Die Prävalenz der OSA ist mit dem Alter, dem Geschlecht und dem BMI assoziiert. Weltweit gibt es fast 1 Milliarde Betroffene und die Prävalenz ist aufgrund des zunehmenden Anteils der Adipositas steigend. Gemäß den Daten der SHIP-Studie liegt die OSA-Prävalenz in Deutschland bei 46 % (59 % Männer, 33 % Frauen) für einen Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ≥ 5 (milder Schweregrad) und bei 21 % (30 % Männer, 13 % Frauen) für einen AHI ≥ 15 (mittelschwerer Schweregrad). Zeiten erhöhter Anfälligkeit für eine OSA bei Frauen sind Schwangerschaft und Postmenopause, was den Einfluss der weiblichen Geschlechtshormone unterstreicht. Nach der Menopause steigt die Prävalenz bei Frauen signifikant und der OSA-Schweregrad nimmt zu.
Obwohl die Prävalenz steigt, zeigten Daten der Society of Women’s Health Research, dass eine bestehende OSA nur bei jeder vierten Frau erkannt wird. Ein vermuteter Grund ist, dass viele Frauen nicht die klassischen, sondern eher unspezifische Symptome angeben. Außerdem gehen Frauen wegen ihrer Symptome seltener zum Arzt und/oder die angegebenen Beschwerden werden von Ärzten nicht entsprechend eingeordnet. Das kann zu einer Unterdiagnostik und Unterrepräsentation von Frauen in Schlaflaboren und Schlafstudien führen und leider auch zu einer Untertherapie.
Frauen berichten seltener über die „klassischen“ OSA-Symptome wie Tagesmüdigkeit, Schnarchen (wobei vermutet wird, dass dies teilweise aus Scham geschieht) und fremdanamnestische Apnoen, sondern geben eher Symptome an wie Energielosigkeit, Fatigue, Insomnie, morgendliche Kopfschmerzen, Nykturie, Stimmungsschwankungen und Albträume – was zu Verwechslungen mit psychiatrischen Erkrankungen führen kann, insbesondere in der Menopause. Auch die Höhe des BMI korreliert weniger mit dem Auftreten der OSA. Frauen sind bei gleichem AHI adipöser als Männer.
Insgesamt scheint die Lebensqualität bei Frauen stärker beeinträchtigt zu sein als bei Männern. Darüber hinaus berichten Frauen mit OSA häufiger von Leistungseinbußen, Krankheitsausfällen und Scheidungen als Frauen ohne OSA. Auffallend ist, dass Frauen bereits bei niedrigeren AHI-Cut-off-Werten symptomatisch sind als Männer mit denselben AHI-Werten.
Der Epworth Sleepiness Scale (ESS) beispielsweise ist nicht validiert bei Frauen und die anamnestisch berichtete Tagesschläfrigkeit korreliert nicht mit der Höhe des ESS. In einer schwedischen Kohorte hatten nur 34 % der Frauen mit diagnostizierter OSA einen abnormen ESS-Wert. Kombiniert mit den atypischen Symptomen besteht bei Frauen somit das Risiko der Bestimmung einer falsch-niedrigen Prätestwahrscheinlichkeit.
Frauen haben oft einen niedrigeren AHI, vermehrt partiale Atemwegsobstruktionen wie Hypopnoen und eine stabilere Sauerstoffsättigung als Männer. Außerdem haben sie häufiger sogenannte „Upper-airway-resistance-Syndrome“ (Widerstandserhöhungen der oberen Atemwege, die nicht die Kriterien für Apnoen erfüllen), „respiratory effort related arousals“ (Weckreaktionen aufgrund von Atemanstrengungen), seltener eine lageabhängige OSA und ein gehäuftes Auftreten von REM-Schlaf betonter OSA. Einige dieser speziellen Schlafpathologien werden in ambulant durchgeführten Polygraphien möglicherweise nicht ausreichend erfasst.
Problematisch ist außerdem, wenn die Bestimmung des OSA-Schweregrads nur anhand des AHI erfolgt. Dieser Index erfasst möglicherweise nicht die gesamte Last der OSA bei Frauen, da sich die häufig milderen Formen von Hypopnoen oder längeren Episoden einer partialen Obstruktion ggf. nicht signifikant auf den AHI auswirken, aber dennoch schwerwiegende kardiovaskuläre Folgen haben können. Da bei Frauen hohe und spezielle Komorbiditätsrisiken bestehen, können diese diagnostischen Hürden die Situation verschärfen, weil eine zeitgerechte Therapie dadurch verzögert wird.
Bestimmte Komorbiditäten scheinen bei Frauen häufiger vorzukommen, wie Depression, Insomnie, Diabetes, Asthma, Hypothyreose, Arthropathie und Reflux, Gastritis. Zusätzlich unterstützen aktuelle Daten die Hypothese, dass Frauen mit OSA ein höheres CV-Risiko zu haben scheinen als Männer, wobei die Datenlage bisher nicht eindeutig ist. Auswertungen einer Real-World-Datenanalyse aus Japan von 2025 ergaben für Frauen mit OSA ein signifikant höheres Risiko für die Entwicklung von CV-Ereignissen als für Männer mit OSA (Hazard Ratio [HR] von 1,72 [95 % CI, 1,54–1,92] gegenüber 1,27 [95 % CI, 1,23–1,31] (p < 0,001). Die HRs waren auch für alle einzelnen Outcome-Parameter wie Myokardinfarkt, Angina pectoris, Schlaganfall und Herzinsuffizienz bei Frauen signifikant höher, die Assoziation war für adipöse und nicht adipöse Teilnehmer konsistent.
In einer ebenfalls 2025 veröffentlichen Dänischen Kohortenstudie mit 55.783 Männern und 19.241 Frauen hatten Frauen mit OSA nach Berücksichtigung von Begleiterkrankungen im Vergleich zu weiblichen Kontrollpersonen ein um 28 % höheres Mortalitätsrisiko (HR 1,28 [1,20-1,38]), während Männer mit OSA nur ein um 3 % erhöhtes Risiko gegenüber den Kontrollen aufwiesen, das keine Signifikanz erreichte (HR 1,03 [0,99–1,07]). Außerdem wird die bei Frauen häufiger auftretende Form der REM-OSA mit negativen CV-, metabolischen und neurokognitiven Folgen in Verbindung gebracht.
Von besonderer Bedeutung sind auch Insomnie-Symptome, die bei Frauen mit OSA häufiger auftreten als bei Männern. Diese OSA-Phänotypen können trotz niedrigerem AHI eine höhere Belastung durch CV-, pulmonale und psychiatrische Komorbiditäten aufweisen als OSA-Patienten ohne insomnieähnliche Symptome. Die COMISA, eine Kombination aus Insomnie und OSA, wurde kürzlich mit einem schlechteren CV-Outcome und schlechterer CPAP-Therapieadhärenz in Verbindung gebracht.
Große Kohortenstudien zeigten, dass schwangere Frauen mit OSA ein erhöhtes Risiko für schwangerschaftsspezifische Komplikationen wie Präeklampsie, Gestationshypertonie und -diabetes, sowie Komplikationen wie Lungenödem oder Herzinsuffizienz haben können. An fetalen Risiken bestehen Assoziationen mit niedrigem Geburtsgewicht, Frühgeburtlichkeit und notwendiger intensivmedizinischer Versorgung. Diese zahlreichen und schwerwiegenden Komorbiditätsrisiken unterstreichen die Dringlichkeit einer möglichst frühzeitigen Therapie der OSA bei Frauen.
Zusammenfassung für Eilige:
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