Als einstiger Hoffnungsträger gegen Alkoholsucht scheint der PDE-Hemmer Ibudilast jetzt zu enttäuschen. Warum sich ein zweiter Blick lohnt und welche Patienten doch profitieren könnten, erfahrt ihr hier.
Wer über längere Zeit zu viel Alkohol trinkt, belastet nicht nur Leber und Psyche, sondern beeinflusst auch sein Immunsystem. Alkohol kurbelt die Produktion entzündungsfördernder Botenstoffe an. Diese können im Gehirn langfristig zu Nervenschäden und kognitiven Beeinträchtigungen führen. Der Phosphodiesterase(PDE)-Hemmer Ibudilast hat sich in präklinischen Modellen als neuroimmunmodulierend und alkoholkonsumreduzierend gezeigt. Die neuroimmunmodulierenden Eigenschaften machen es auch als potenzielle Behandlung bei Multipler Sklerose interessant.
Ibudilast (MN-166) wurde nun in einer randomisierten, doppelblinden Phase-II-Studie an der University of California, Los Angeles, an 102 alkoholabhängigen Erwachsenen getestet. Ziel war es zu prüfen, ob Ibudilast die Anzahl schwerer Trinktage bei Menschen mit moderater bis schwerer Alkoholabhängigkeit (AUD) im Vergleich zu Placebo reduziert. Die Teilnehmer erhielten über 12 Wochen entweder Ibudilast (2 × täglich 50 mg) oder ein Placebo. Der primäre Endpunkt, nämlich der Prozentsatz schwerer Trinktage, zeigte ernüchternderweise keinen signifikanten Unterschied zwischen Ibudilast und Placebo im Gesamtkollektiv.
Auch bezüglich der sekundären Endpunkte (Anzahl der Getränke pro Tag, Getränke pro Trinktag und Prozentsatz abstinenter Tage) war der Unterschied nicht signifikant – ebenso bezüglich peripherer Entzündungsmarker wie CRP, IL-6 oder TNF-α. Weiterhin zeigte sich, dass Depressionen auf die Ibudilast-Wirksamkeit keinen Einfluss haben. Interessant ist jedoch, dass Placebo bei hoher Depressivität bessere Wirkung zeigte.
Für Überraschung und einen Hoffnungsschimmer sorgte eine Subgruppen-Analyse. Frauen profitierten nämlich anders als das Gesamtkollektiv von dem Medikament. Ibudilast reduzierte bei ihnen signifikant die Anzahl an Trinktagen.Warum bei Frauen eine Wirksamkeit vorhanden sein könnte, versuchen Forscher mit dem neuroimmunologischen Wirkansatz zu erklären. Ibudilast hemmt mehrere Phosphodiesterasen (PDE3, PDE4, PDE10, PDE11) und den Makrophagen-Migrationsinhibitionsfaktor (MIF). Dadurch sollen entzündliche Prozesse im ZNS reduziert und Neurotrophine gefördert werden.
Da Frauen tendenziell höhere Entzündungswerte aufweisen, könnten sie stärker als Männer von einer immunmodulierenden Wirkung profitieren. Die immunologische Theorie konnte allerdings in der Studie nicht bestätigt werden, da sich kein Unterschied in Entzündungsparametern zwischen den Gruppen zeigte. Dennoch könnte es sich lohnen, die Sache weiterzuverfolgen.
Frühere kleine Studien haben durchaus positive Effekte von Ibudilast auf Alkoholkonsum und neuronale Reaktionen auf Alkoholreize gezeigt. In einer Phase‑II‑Studie mit 52 Patienten reduzierte Ibudilast beispielsweise die Wahrscheinlichkeit für exzessives Trinken über 14 Tage um 45 Prozent. Es senkte die alkoholbezogene Hirnaktivität im ventralen Striatum und verringerte Craving an alkoholfreien Tagen. Die Studie lieferte Hinweise auf eine neurobiologische Wirkung über Belohnungssysteme, ohne die Stimmung negativ zu beeinflussen. Insgesamt deutete das auf ein vielversprechendes neues Behandlungsprinzip bei Alkoholabhängigkeit hin.
In Tierstudien senkte Ibudilast die Trinkmenge sogar um rund 50 Prozent. Zugelassen ist der Wirkstoff schon und dient in Japan als entzündungshemmendes Medikament.
Quellen:
Ray et al.: A Neuroimmune Modulator for Alcohol Use Disorder: A Randomized Clinical Trial. JAMA Netw Open, 2025. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2025.7523
Grodin et al.: Ibudilast, a neuroimmune modulator, reduces heavy drinking and alcohol cue-elicited neural activation: a randomized trial. Transl Psychiatry, 2021. doi: 10.1038/s41398-021-01478-5
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