Ein schwerer Neugeborenenikterus wird mit blauem Licht behandelt, um überschüssiges Bilirubin abzubauen. Das erfolgt normalerweise im Brutkasten. Um Babys nicht von ihren Eltern zu trennen, haben Forscher nun einen LED-Strampler entwickelt.
In den ersten Lebenstagen entwickeln rund sechs von zehn reif geborenen Kindern einen mehr oder minder stark ausgeprägten Neugeborenenikterus. Dies liegt an einem vermehrten Hämoglobin-Abbau, der mit einer unreifen Leberfunktion einhergeht. Es entsteht mehr Bilirubin als Metabolit des Blutfarbstoffs Häm, das die Leber nicht schnell genug abbauen und umwandeln kann.
Eigentlich handelt es sich bei der Neugeborenengelbsucht um einen physiologischen Prozess, der nur selten behandelt werden muss. Sind die Bilirubin-Konzentrationen zu hoch, werden sie dennoch gefährlich, weil das Molekül die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Als Grenze werden Spiegel von deutlich über 20 mg/dl angenommen. Gelangt Bilirubin in unser ZNS, droht eine sogenannte Bilirubinenzephalopathie. Dabei gehen unterschiedliche Nervenzellen zu Grunde. Um dies zu vermeiden, müssen kleine Patienten in den Brutkasten. Dort werden sie mit blauem Licht der Wellenlänge 450 bis 475 Nanometer bestrahlt, denn dieser Spektralbereich zerstört eine Doppelbindung im Bilirubin. Aus dem fettlöslichen Molekül entsteht dann das wasserlösliche, gut ausscheidbare Lumirubin. Lichttherapie eines Neugeborenen mit Gelbsucht © Jeremykemp / Wikipedia, CC0
Die Therapie ist zwar wirkungsvoll, bedeutet aber gleichzeitig eine Trennung von Mutter und Kind. Deshalb haben Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) ein spezielles, lichtleitendes Gewebe entwickelt. Als Basis dienten ihnen herkömmliche Textilien, in die sie optisch leitende Fasern eingewoben haben. Mit einem Durchmesser von 160 Mikrometern entspricht ihre Geometrie regulären Garnen. Gemeinsam mit gängigen Fasern ließen sich die Lichtleiter zu einem Satin-Stoff verweben, der eingespeistes Licht gleichmäßig über die Stoffbahn verteilt. Batteriebetriebene LEDs waren im Experiment die ideale Lichtquelle. Photonische Textilien lassen sich zu einem Strampelanzug oder einem Schlafsack verarbeiten. Kleine Patienten werden anschließend nicht nur behandelt und gewärmt, sie können auch im Arm gehalten und beispielsweise gefüttert werden. Ein lichtleitendes Textilstück wurde in einen herkömmlichen Strampelanzug eingenäht. Für die klinische Anwendung strahlt der Pyjama sein blaues Licht nur nach innen ab ©EMPA
„Die photonischen Textilien sind waschbar und gut hautverträglich“, sagt EMPA-Forscherin Maike Quandt. „Das Satingewebe ist geschmeidig und entspricht dem Tragekomfort eines typischen Babystramplers.“ Dies zeigte Quandt über ein Hautmodell und ein Thermoregulationsmodell der EMPA. Ihr Prototyp strahlt jedoch zu geringe Intensitäten ab. „Für die kommerzielle Produktion muss die Lichtstärke des Pyjamas daher noch etwas erhöht werden“, ergänzt die Forscherin. Dies sei zukünftig über stärkere LEDs möglich.