Zunehmend sind Studierende die treibende Kraft hinter Protestbewegungen gegen Einsparungen in der Lehre. Besonders kreativ ist eine Aktion an der Uni Gießen: Hier zogen sich Medizinstudierende für einen Aktkalender aus, um auf die Kürzungen aufmerksam zu machen. Wir führten ein Gespräch mit Natalie Brinkmann, Organisatorin des mediAkt-Kalenders.
Oktober 2013: Am Institut für Physiologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen wird den Studierenden des 3. Semesters in der Einführungswoche offenbart, dass aufgrund von Einsparungen zunächst nicht die erhofften neuen Geräte für das obligate Physiologie-Praktikum angeschafft werden können. Wenige Wochen später müssen einige Praktikumsleiter in Zwangsurlaub gehen, da die Verlängerung Ihrer Verträge aussteht. So fallen 2 Praktikumstage ersatzlos aus. Die Regelstudienzeit für ein ganzes Semester steht auf der Kippe. Unter Führung des Fachschaftsrates gründen die Studierenden das „Aktionsbündnis Medizinstudierende gegen Finanznot in der Hochschulmedizin“. Mit zahlreichen Projekten wollen sie auf die unterfinanzierte Lehre der Gießener Unimedizin aufmerksam machen. Ob Demonstrationszug, musikalischer „Straßenjam“, großangelegte Blutspendeaktion oder Online-Petition (DocCheck berichtete), der Kreativität der Gießener Studierenden scheint keine Grenze gesetzt. Als neuestes Projekt reiht sich nun mediAkt, ein Aktkalender von und mit Medizinstudierenden, ein. DocCheck: Natalie, wie entstand die Idee, einen Aktkalender mit Medizinstudierenden zu machen? Brinkmann: Zunächst war es eine Schnapsidee einer Freundin während der Vollversammlung im letzten November, die zu den Kürzungsplänen an der medizinischen Fakultät in Gießen informierte. Sie hatte davon schon an einer anderen Uni gehört. Der Vorschlag erhielt natürlich sofort große Zustimmung. Als es dann aber um die Organisation ging, waren die Stimmen schon zurückhaltender. So haben wir, fünf Zahnmedizinstudentinnen, uns Schritt für Schritt daran gemacht, diese Idee in die Tat umzusetzen. Der Zeitplan, bis Januar einen Kalender zu entwerfen, war zu knapp. So entschlossen wir uns, einen Semester-Kalender von April bis März herauszubringen. Die Studentinnen geben sprichwörtlich ihr letztes Hemd für die Lehre. DocCheck: Wie lange hat die Entstehung des Kalenders gebraucht? Brinkmann: Von Ende November bis Ende März. Wir sind wirklich erst kurz vor dem Verkaufsstart fertig geworden. Anfang Dezember haben wir uns zunächst auf die Suche nach Models gemacht – das ging überraschend schnell innerhalb von einer Woche. Daraufhin haben wir eine Fotografin gesucht und fanden mit Kristin Zimmer glücklicherweise auch relativ schnell eine, die tolle Motivideen einbrachte. Das Fotoshooting lief im Januar. Anschließend mussten die Bilder noch nachbearbeitet werden. Schließlich wurde der Kalender im März gedruckt. DocCheck: Wie habt ihr die Modelle geworben? Brinkmann: Wir haben über StudIP, eine Plattform für Gießener Studierende, eine Anzeige geschaltet. Daraufhin meldeten sich schnell über 30 Interessentinnen und Interessenten. Außerdem warben wir über Facebook und die Aktionsbündnisseite. DocCheck: Gab es ein Casting? Brinkmann: Nein. Nach welchen Kriterien denn auch? Uns war es nur wichtig, dass die Leute Lust hatten, an diesem Projekt mitzuwirken. Als es dann ernst wurde, hatten wir 20 männliche und weibliche Models. Mit den Models wurden dann Interviews geführt, was und wie viel sie von sich zeigen wollen. Außerdem wurden gemeinsam Ideen für Motive gesammelt. Es haben sich tolle Studenten gefunden, mit denen das Shooting wirklich sehr viel Spaß gemacht hat. DocCheck: Wo kann man den Kalender nun eigentlich kaufen? Brinkmann: Zum einen kann man ihn hier in Gießen im Lehmanns kaufen. Da die Nachfrage aber so groß ist, haben wir mittlerweile auch einen Onlineshop eingerichtet, über den man den mediAkt-Kalender bestellen kann. DocCheck: Wie lief der Verkauf bisher? Brinkmann: Super! Der Verkauf startete am 1. April. Trotz der Semesterferien wurden schon in den ersten zwei Wochen zahlreiche Kalender von Ärztinnen und Ärzten und vielen anderen Gießenern, die uns unterstützen wollten, gekauft. Am 14. April hatten wir unsere Vernissage, um uns und den Kalender näher kennenzulernen. Auch dort waren wir dann schnell ausverkauft. Mittlerweile haben wir auch wieder nachgedruckt. DocCheck: Was macht ihr mit dem Verkaufserlös? Brinkmann: Wir planen eigentlich, den Erlös der Fakultät zu spenden. Allerdings ist noch nicht ganz sicher, ob die Fakultät diese Spende annehmen wird. Sollte das nicht funktionieren, werden wir das Geld der Fachschaft für weitere Aktionen gegen die Kürzungen spenden. DocCheck: Wie war denn die Reaktion deiner Kommilitonen darauf, dich und andere quasi nackt zu sehen? Brinkmann: Ich habe eigentlich keine negativen Erfahrungen gemacht. Im Gegenteil: Viele haben mich angesprochen, dass sie im Nachhinein ebenfalls gerne mitgemacht hätten. Mal schauen, ob die dann beim nächsten Mal dabei sind. Ein Kritikpunkt an unserem Kalender war allerdings, dass die Männer in ihren Motiven nicht ganz so kreativ waren. Aber vielleicht haben die Mädels da von Natur aus einfach einen leichten Vorteil (lacht). DocCheck: Gibt es denn schon Pläne, wann der nächste Kalender erscheint? Brinkmann: Da muss sich wohl die nächste Generation drum kümmern. Wir werden Interessenten natürlich mit unseren Kontakten unterstützen, aber den Anstoß für den nächsten mediAkt-Kalender müssen andere geben. Ich glaube aber, dass das Projekt fortbestehen wird, da es jetzt viel leichter wird zum Beispiel Sponsoren zu werben. Als Models sind wir aber weiterhin dabei.