Bei unklaren Schlaganfällen vermutet man oft ein verstecktes Vorhofflimmern. Aber die Suche danach ufert oft aus. Wie lange und intensiv sollte man überhaupt suchen?
Vorhofflimmern gehört zu den häufigsten Schlaganfallursachen. Durch die unregelmäßige Kontraktion des Herzvorhofs fließt das Blut ungleichmäßig durch das Herz. Dabei können Blutgerinnsel entstehen. Wenn diese Gerinnsel dem Blutstrom folgen, landen sie häufig in einer Hirnarterie und lösen einen Schlaganfall aus. Um dieser dramatischen Entwicklung vorzubeugen, erhalten Betroffene oft eine Antikoagulation – also eine Gerinnungshemmung – mit einem DOAK. Die Hemmung der Blutgerinnung bei Vorhofflimmern ist hochwirksam: Die Entstehung von Blutgerinnseln wird effektiv vermieden, dadurch kann das Risiko für einen Schlaganfall um zwei Drittel gesenkt werden (hier und hier).
Aufgrund der guten Wirksamkeit der therapeutischen Antikoagulation wird bei jedem Patienten, der einen ischämischen Schlaganfall erlitten hat, intensiv nach Vorhofflimmern gesucht. Wird es gefunden, kann man schließlich effektiv behandeln. Das Schwierige daran: Vorhofflimmern besteht nicht immer dauerhaft. Manchmal tritt es nur in kurzen Episoden auf (man spricht dann von paroxysmalen, also anfallsartigen Vorhofflimmern). Ein einfaches 12-Kanal-EKG reicht also nicht aus. Daher wird meistens im Rahmen der stationären Stroke-Unit-Behandlung über 24 oder sogar 72 Stunden mittels Langzeit-EKG nach Vorhofflimmer-Episoden gesucht. Wird man dort nicht fündig, werden weitere ambulante Langzeit-EKG-Messungen empfohlen.
Und auch damit muss man sich nicht zufriedengeben: Es gibt sogenannte Event-Recorder. Das sind kleine Geräte, die unter die Haut implantiert werden und den Herzrhythmus dauerhaft überwachen können. So kann auch nach unauffälligen Langzeit-EKGs über Monate oder Jahre nach einem versteckten Vorhofflimmern gesucht werden. Eine weitere Möglichkeit, Vorhofflimmern zu finden, sind Smartwatches, die den Herzrhythmus ebenfalls dauerhaft überwachen und so ein Vorhofflimmern finden können. Doch lohnt sich dieser Aufwand wirklich in jedem Fall?
Folgender Schluss liegt nahe: Schlaganfälle werden häufig durch Vorhofflimmern verursacht. Findet man Vorhofflimmern, kann man die Betroffenen mit einer Antikoagulation schützen. Folglich kann man gar nicht intensiv genug nach Vorhofflimmern suchen, oder? Das Problem daran: Wenn man nur intensiv genug nach etwas sucht, dann wird man es (oft) auch irgendwann finden. Je länger und häufiger man den Herzrhythmus überwacht, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, selbst kurze Episoden mit fraglicher klinischer Relevanz zu entdecken – zudem steigt das Risiko falsch-positiver Befunde.
Diese Gefahr wird zu wenig beachtet. Es erscheinen viele Studien, die belegen, dass die Detektion eines Vorhofflimmern umso wahrscheinlicher wird, je länger danach gesucht wird. Dies wird meist als Erfolg bewertet, obwohl die Frage der klinischen Relevanz offen bleibt. So erschien kürzlich erneut eine Studie zur Vorhofflimmer-Detektion mittels implantierbarem Event-Recorder nach einem Schlaganfall unbekannter Ursache. Nach einem Jahr wurde bei 20 % Vorhofflimmern gefunden, nach vier Jahren sogar bei 37 %. In fast allen Fällen wurde daraufhin eine Antikoagulation begonnen.
Die Autoren weisen in der Diskussion richtigerweise darauf hin, dass der Nutzen der Antikoagulation in dieser Konstellation bislang nicht eindeutig belegt ist. Zwar gäbe es aus anderen Untersuchungen Hinweise, dass ein Nutzen aus der intensivierten Suche entstehen könnte, für eine definitive Aussage reichen die Daten jedoch nicht aus.
Wer lange sucht, findet öfter – so viel ist also klar. Aber angenommen, man ist sich sicher, dass ein verstecktes Vorhofflimmern einen Schlaganfall verursacht hat – könnte man sich die Suche dann nicht sparen und direkt mit der Antikoagulation beginnen? Dagegen sprechen die negativen Ergebnisse von Studien, die eine generelle Antikoagulation bei Schlaganfällen unklarer Ursache untersucht haben. Diese Studien konnten keinen Nutzen einer Antikoagulation gegenüber Acetylsalicylsäure nachweisen. Eine Einheitslösung scheint also nicht zielführend.
Die Suche nach verstecktem Vorhofflimmern immer weiter auszudehnen, birgt mehrere Probleme: Zum einen steigt die Gefahr von falsch-positiven Ergebnissen: Ob ein Befund tatsächlich relevant ist, wird mit zunehmender Dauer der EKG-Überwachung immer unklarer. Zum anderen gibt es eine Gruppe von Patienten, die tatsächlich von einer Antikoagulation profitieren würde. Diese Patienten brauchen die Antikoagulation aber sofort und nicht erst, wenn das Vorhofflimmern erst in vielen Monaten oder sogar Jahren gefunden wird.
Statt den Fokus auf die Detektion von noch so kurzen Vorhofflimmer-Episoden in noch so langem zeitlichen Abstand zum Schlaganfall zu legen, ist es vielleicht Zeit, neue Wege zu beschreiten. Wahrscheinlich ist das Vorhofflimmern an sich oft gar nicht der Hauptgrund für die Gerinnselbildung und damit den Schlaganfall. Vielmehr könnte das Vorhofflimmern nur ein Symptom einer zugrundeliegenden Erkrankung des Herzmuskels sein. Auch an diesem Punkt haben Studien bereits angesetzt. So wurde untersucht, ob Patienten nach einem Schlaganfall mit unklarer Ursache und gleichzeitig vorliegenden Hinweisen für eine Vorhoferkrankung eher von einer Antikoagulation als von ASS profitieren. Als Marker für einen kranken Vorhof wurden Veränderungen der P-Welle im EKG, ein erhöhtes NT-proBNP und eine in der Echokardiographie nachgewiesene Vergrößerung des linken Vorhofs verwendet. Im Ergebnis zeigte sich kein Unterschied zwischen ASS und Antikoagulation.
Bislang gibt es neben dem Nachweis eines Vorhofflimmerns keinen verlässlichen Marker, der bei der Entscheidung hilft, welche Patienten nach einem Schlaganfall von einer Antikoagulation profitieren. Es bleibt letztendlich neben der Suche nach anderen Schlaganfallursachen (Gefäßstenosen, Tumorerkrankungen, Gerinnungsstörungen etc.) nichts anderes übrig als die Suche nach dem Vorhofflimmern. Für den Nutzen einer Suche, die über das Monitoring auf der Stroke Unit und einige ergänzende Langzeit-EKGs hinausgeht, gibt es wenig Evidenz. In Einzelfällen und bei hochgradigem Verdacht kann ein intensiviertes kardiales Monitoring sinnvoll sein. Befriedigend ist die Situation allerdings nicht.
Auch die Leitlinien bleiben bei der Frage nach der empfohlenen Dauer des kardialen Monitorings nach einem Schlaganfall vage. In deutschen Schlaganfall-Leitlinien wird die Frage überhaupt nicht adressiert. In einem gemeinsamen Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft wird ein EKG-Monitoring über 72 Stunden empfohlen, in ausgewählten Fällen auch länger. Internationale Leitlinien geben ähnliche Empfehlungen. Nach welchen Kriterien diese ausgewählten Fälle identifiziert werden sollen, bleibt jedoch offen.
Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt bei einer großen Gruppe von Schlaganfällen ungeklärter Ursache unklar, wie die optimale Behandlung zur Vermeidung weiterer Schlaganfälle aussieht. Bis neue Marker oder prädiktive Scores etabliert sind, bleibt die Entscheidung im Einzelfall komplex – umso wichtiger ist eine individuell abgewogene Therapieentscheidung.
Bildquelle: mari lezhava, Unsplash