Der weibliche Zyklus wirft bis heute viele Fragen auf. Eine Studie zeigt jetzt: Auch die neuronale Architektur unterliegt hormoneller Steuerung. Welche Relevanz das für die ärztliche Praxis haben könnte, lest ihr hier.
Jede Frau kennt sie – die subtilen Veränderungen in Stimmung, Konzentration oder Gedächtnis, die im Laufe des Monatszyklus auftreten. Was bislang oft als „Nebensache“ abgetan wurde, rückt immer mehr ins Zentrum der Neuroforschung. Neue Studien zeigen: Der Menstruationszyklus beeinflusst unser Gehirn auf tiefgreifende Weise – und das ist nicht nur faszinierend, sondern auch medizinisch hochrelevant.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie gibt Einblicke in ein erstaunliches Zusammenspiel: Der Hormonhaushalt beeinflusst direkt die Architektur und Funktion von Nervenzellen im Hippocampus – also genau jener Gehirnregion, die für Gedächtnisbildung, Lernen und räumliche Orientierung zuständig ist. Kurz gesagt: Der weibliche Körper – und damit eben auch das weibliche Gehirn – durchläuft einen zyklusabhängigen, ständigen Wandel.
Je nach Zyklusphase verändern sich Anzahl, Form und Aktivität der Dornenfortsätze in unseren Dendriten. In Zyklusphasen mit hoher Östrogenausschüttung zeigte sich eine Zunahme der Dornfortsätze, was mit einer erhöhten Lern- und Gedächtnisleistung einhergehen kann. Später im Zyklus, wenn der Hormonspiegel absinkt, kommt es wieder zu einem Abbau in den Dendriten.
Diese Veränderungen beschränken sich nicht nur auf einzelne Nervenzellen. Sie beeinflussen ganze neuronale Netzwerke. Das bedeutet: Kognitive Leistung variiert nicht zufällig, sondern folgt anscheinend biologisch sinnvollen Rhythmen. Was oft als „launisch“ oder „unbeständig“ fehlinterpretiert wird, zeigt sich mehr und mehr als hochdynamische, fein regulierte Anpassung des Gehirns an innere Umbauvorgänge. Und das verdient Anerkennung – keine Abwertung.
In der Studie wurden mit Hilfe fluoreszierender Marker die Dornfortsätze einzelner Dendriten im weiblichen Mausgehirn mikroskopisch sichtbar gemacht und die Konzentration von Östradiol bestimmt. Hierfür implantierten die Forscher eine Art gläsernes Mikroskop im Gehirn (glass microperiscope). Zudem verwendeten sie genetisch veränderte Mäuse, bei denen die Nervenzellen im Hippocampus bereits fluoreszierend markiert waren. So konnten sie Veränderungen in den Dendriten dieser Zellen über längere Zeit in den verschiedenen Zyklusphasen hinweg verfolgen.
Diese Erkenntnisse lassen sich aber nicht nur im Tiermodell beobachten. Auch im Menschen konnte bereits mithilfe hochauflösender MRT ganz ähnliche zyklusabhängige Umbauprozesse im Hippocampus nachgewiesen werden.
Die neuen Erkenntnisse sind weit mehr als ein Forschungsdetail. Sie machen deutlich: Das Gehirn der Frau verdient individuelle, zyklusbewusste Aufmerksamkeit – in der Wissenschaft, der Diagnostik und der Behandlung.Gleichzeitig zeigen die Studien, wie wichtig es ist, sich selbst besser zu verstehen.
Es geht nicht darum, Schwankungen „wegzutherapieren“ – sondern ihren Rhythmus zu erkennen und als Teil der eigenen Neurobiologie besser anzunehmen. Denn am Ende ist es vielleicht das Beeindruckendste daran: Das Gehirn von Frauen passt sich nicht nur an – es lebt im Takt mit dem Körper und formt aus ihm eine ganz eigene Form der Intelligenz.
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