Gegen gefährliche Escherichia coli-Stämme im Darm ist bislang kaum ein Kraut gewachsen. Ein neuer Ansatz macht Hoffnung: Kann man die Übeltäter gezielt mit harmlosen Varianten verdrängen?
Antibiotikaresistente Bakterien gehören zu den großen Herausforderungen der Medizin. Besorgniserregend ist die Situation etwa bei Escherichia coli – einem Keim, der häufig Harnwegsinfekte oder eine lebensbedrohliche Sepsis auslöst. Bestimmte resistente Varianten wie ST131 oder ST617 lassen sich zunehmend schwer behandeln.
Eine wichtige Rolle bei der Ausbreitung dieser Erreger spielt die Kolonisation: Wenn sich resistente E. coli im Darm ansiedeln, können sie von dort aus andere Körperregionen erreichen und Infektionen auslösen. Die Besiedlung des Darms gilt deshalb als zentraler Risikofaktor und als möglicher Ansatzpunkt für neue Präventionsstrategien. Mit Pharmaka ist das jedoch schwierig. Jetzt rückt ein alternativer Ansatz in den Fokus: Könnte es gelingen, mit harmlosen E. coli pathogene Keime aus dem Darm zu verdrängen, weil sie um den Lebensraum und die Ressourcen konkurrieren? Diese Frage haben Forscher untersucht, mit überraschendem Resultat.
Grundlage der Arbeit waren 630 Stuhlproben von gesunden Spendern. 430 E. coli-Isolate kamen in die engere Wahl, um multiresistente E. coli zu verdrängen. In einem Ex-vivo-Modell, das den Darm unter kontrollierten Bedingungen nachbildet, haben nur rund 10 Prozent der getesteten Stämme das Wachstum eines multiresistenten E. coli-Stamms deutlich gehemmt. Besonders erfolgreich waren Vertreter der Phylotypen B1 und D. Der viel erforschte probiotische Stamm E. coli Nissle 1917 zeigte jedoch nur schwache Effekte.
Anschließend haben die Forscher mehrere der in vitro als kompetitiv identifizierten Stämme in einem Tiermodell getestet: Mäuse erhielten zunächst Antibiotika, dann einen der probiotischen Kandidaten – und schließlich den multiresistenten E. coli-Stamm. Die Ergebnisse waren vielversprechend: So zeigte sich bei Mäusen, die mit den Bakterienstämmen MR102, MR158, RV228, MR193, LK91 und MK192 vorkolonisiert worden waren, eine hundertfache Verringerung der Kolonisierungsgrade mit den multiresistenten Bakterien im Vergleich zur Kontrollgruppe.
Doch warum sind einige E. coli-Stämme erfolgreich und andere nicht? Hier scheint der Stoffwechsel eine zentrale Rolle zu spielen. MR102 und andere kompetitive Stämme nutzten, im Gegensatz zu ihren multiresistenten Gegenspielern, eine breitere Palette an Kohlenhydraten zur Energiegewinnung. In direkten Wettbewerbsversuchen verdrängte MR102 resistente Keime vor allem durch die Konkurrenz um Mannose und Galaktose. Gaben die Forscher gezielt den Zucker Cellobiose ins Trinkwasser der Mäuse – eine Energiequelle, die MR102 nicht, aber resistente Stämme sehr wohl nutzen können –, war die Schutzwirkung deutlich verringert.
Spannenderweise wirkt MR102 am besten, wenn die Darmflora intakt und vielfältig ist. In keimfreien Mäusen oder in Versuchstieren mit stark eingeschränkter Bakterienbesiedlung konnte MR102 zwar das Wachstum der Keime bremsen – eine vollständige Entfernung gelang jedoch nicht. Offenbar unterstützen bestimmte Darmbakterien, etwa Lactobacillus murinus, die Wirkung von MR102 und machen eine vollständige Dekolonisation erst möglich.
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie: Kein einzelner probiotischer Stamm konnte alle multiresistenten E. coli-Stämme wirksam bekämpfen. Erst durch die Kombination verschiedener Stämme, etwa MR102 mit Klebsiella oxytoca MK01, ließ sich das Wirkspektrum deutlich erweitern. In Labortests konnte das Wachstum von 84 Prozent der untersuchten multiresistenten Stämme gehemmt werden, darunter auch besonders schwer behandelbare Varianten wie ST167.
In Mausmodellen führte die Kombination aus MR102 und MK01 zu einer schnellen und anhaltenden Dekolonisation mehrerer klinisch relevanter multiresistenter Stämme – ohne dass sich die beiden probiotischen Partner in ihrer Wirkung gegenseitig behinderten.
Die Studien zeigen, dass bestimmte harmlose Darmbakterien in der Lage sind, multiresistente Keime gezielt aus dem Darm zu verdrängen – und zwar durch direkte Konkurrenz um Nährstoffe und Lebensraum. Entscheidend für diesen Effekt sind ihre Stoffwechselfähigkeiten und ihr Zusammenspiel mit der übrigen Darmflora. Besonders vielversprechend scheint die gezielte Kombination von Bakterien mit sich ergänzenden Stoffwechselprofilen – sie könnte den Weg für neue probiotische Therapien ebnen.
Bevor solche Ansätze jedoch in der Praxis eingesetzt werden, müssen potenzielle Risiken sorgfältig geprüft werden – etwa, ob die eingesetzten Bakterien unerwünschte Resistenz- oder Virulenzgene tragen. Zudem sind systematische Studien nötig, um sichere und wirksame Probiotika für unterschiedliche multiresistente Erreger zu entwickeln.
Das Wichtigste auf einen Blick
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