Adipositas ist längst nicht mehr nur ein körperliches Gesundheitsproblem - sie wirkt auch tief in das Gehirn hinein. Eine aktuelle Studie1 gibt Hinweise, wie langfristig erhöhte Körperfettwerte die Gehirnstruktur, funktionelle Konnektivität und kognitive Leistungsfähigkeit bei Erwachsenen beeinträchtigen können.
Die Studie basiert auf umfangreichen Daten der britischen UK-Biobank und bietet ein bisher einzigartiges Bild darüber, wie sich unterschiedliche Verläufe von Übergewicht und Fettleibigkeit auf das zentrale Nervensystem auswirken.
Die Forscher:innen analysierten Daten von über 50.000 Erwachsenen, darunter mehr als 24.000 MRT-Bilder und über 22.000 Teilnehmer:innen an kognitiven Tests.1 Über einen Zeitraum von durchschnittlich neun Jahren wurde der Verlauf der Körperfettwerte ermittelt (unter anderem Body-Mass-Index, Taillenumfang und regionale Fettverteilungen) und die Teilnehmer:innen in fünf Gruppen eingeteilt: dauerhaft niedriges (low-stable), moderat-stabiles, hoch-stabiles, zunehmendes (increasing) und abnehmendes Gewicht (decreasing). Ziel war es, den Einfluss dieser Gewichtsverläufe auf die Hirnstruktur und das Denkvermögen der Teilnehmer:innen zu untersuchen.1
Die Ergebnisse erscheinen alarmierend: Personen mit dauerhaft hohem Körperfettanteil wiesen deutliche Veränderungen im Gehirn auf, darunter flächendeckende kortikale Ausdünnungen, Schrumpfungen in subkortikalen Strukturen wie Thalamus und Putamen sowie gestörte funktionelle Netzwerke.1 Diese Veränderungen betrafen insbesondere Regionen, die für Belohnungsverarbeitung, Selbstregulation und sensorische Verarbeitung zuständig sind. Auch Teilnehmer:innen mit einem moderat-stabilen oder zunehmenden Gewicht zeigten bereits ausgeprägte, wenngleich etwas weniger umfassende Veränderungen in Struktur und Funktion des Gehirns.1
Einen weiteren Einblick gibt die Studie auf die kognitive Leistungsfähigkeit der Teilnehmer:innen: Die negativen Auswirkungen auf diese waren in den Gruppen mit dauerhaft hohem, moderat stabilem oder zunehmendem Gewicht klar nachweisbar.1 Betroffene schnitten in Tests zu Denkvermögen, Arbeitsgedächtnis und visueller Verarbeitungsgeschwindigkeit schlechter ab.1 Interessanterweise zeigte sich bei Teilnehmer:innen mit dauerhaft hohem Gewicht in einzelnen Bereichen, wie dem visuellen Gedächtnis, eine bessere Leistung, was möglicherweise auf kompensatorische Umstrukturierungen des Gehirns hinweist.1
Ein kleiner Lichtblick: Die Gruppe mit abnehmendem Gewicht wies im Vergleich relativ intakte Hirnstrukturen auf, mit nur wenigen Veränderungen im Temporallappen und Parahippokampus.1 Dies gibt Hinweise darauf, dass eine Reduktion des Körpergewichts auch im mittleren Alter noch protektive Effekte auf das Gehirn haben kann, insbesondere wenn die Gewichtsabnahme frühzeitig und dauerhaft erfolgt.1
Die Forscher:innen betonen, dass Adipositas offenbar als chronischer Stressor auf das Gehirn wirkt.1 Die dabei entstehenden strukturellen und funktionellen Veränderungen könnten einer beschleunigten Gehirnalterung gleichkommen. Dabei entstehe eine Art „metabolische Last“, die nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die geistige Fitness gefährden könne - mit möglichen langfristigen Folgen wie Demenz oder anderen neurodegenerativen Erkrankungen.1
Auch wenn es sich um eine Beobachtungsstudie handelt und somit keine Kausalität endgültig bewiesen werden kann, ist die Evidenzlage stark. Die große Stichprobe, die präzise Bildgebung und die longitudinale Anlage machen die Ergebnisse sehr aussagekräftig. Allerdings weisen die Autor:innen auch auf Einschränkungen hin: Die Stichprobe bestand überwiegend aus europäischen Personen im mittleren Alter, die Gehirnscans wurden nur einmalig durchgeführt, und komplexe Gewichtsschwankungen lassen sich mit nur zwei bis drei Messzeitpunkten schwer vollständig erfassen.1
Nichtsdestotrotz ist die Botschaft der Studie klar: Chronisches Übergewicht ist nicht nur eine Frage des Herz-Kreislaufsystems oder der Gelenke, sondern es betrifft direkt unser Gehirn. Frühzeitige Prävention und eine dauerhafte Gewichtsnormalisierung könnten entscheidende Faktoren sein, um die geistige Gesundheit in jedem Alter zu bewahren. In einer Zeit, in der Demenzraten weltweit steigen,2 ermöglicht diese Studie einen Einblick in die Rolle von Lebensstilfaktoren zur Hirngesundheit und verdeutlicht, dass es sich lohnt, frühzeitig aktiv zu werden.
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