ERFAHRUNGSBERICHT | Ich habe wegen meines Lipödems bereits viele schambehaftete und unangenehme Arztbesuche hinter mir. Jetzt übernehmen Krankenkassen bald Liposuktionen in allen Stadien der Erkrankung – für Betroffene wie mich ein Lichtblick.
Schon als Jugendliche war mir sehr bewusst, dass ich irgendwie anders aussehe als die anderen Mädchen meines Alters. Ich hatte mit 14 oder 15 Jahren auf die Entwicklung von wohlgeformten „Frauenbeinen“ gehofft, doch stellte sich keine zufriedenstellende Form ein. Sie blieben irgendwie unförmig – mit recht kräftigen Waden und die Knie kaum von den ebenfalls kräftigen Oberschenkeln abgegrenzt. Auch meine Oberarme waren mir immer zu dick. Sie passten einfach nicht zu meinem restlichen Körperbild. Ich fing an, meinen Körper zu verstecken und trug schon damals fast nur lange Hosen oder Röcke und auch nur Shirts, die zumindest meine Oberarme bedeckten.
Diese Form hielt sich lange aufrecht, auch in Zeiten, in denen ich quasi Idealgewicht hatte – nun ja, ich bin nun einmal keine Gazelle, dachte ich. Es gibt eben Frauen, die gebaut sind wie eine Fee, aber ich gehöre nicht dazu. Quasi explodiert ist mein Körper dann, als ich schwanger war, obwohl ich nur 10 Kilogramm zunahm. „Das bildet sich bald wieder zurück, wenn du stillst“, hieß es. Doch das hat es bis heute leider nicht. Ich rationierte mein Essen, versuchte mich sogar beim Joggen – Schwimmen wollte ich nicht mehr, da man dann meinen für mich als unförmig empfundenen Körper ganz genau betrachten kann.
Irgendwann hatte ich meinen ersten Termin bei einer Phlebologin, weil meine Beine immer schwerer wurden. Meine Stiefel passten nicht mehr, und es wurde auch zunehmend schwerer, Treppen zu steigen oder meine Oberarme längere Zeit zu belasten, wenn ich etwas hochhalten musste. Voller Scham zog ich mich in der Praxis aus. „Was wollen Sie hier?“, fragte mich die Ärztin und blickte zwischen meinem halb entblößten Ich und der Überweisung meiner Hausärztin mit V. a. Lipödem. „Das sieht doch jeder auf den ersten Blick, dass Sie ein Lipödem haben. Dafür hätten Sie nicht hierherkommen müssen.“ Was folgte, war eine Verordnung über eine flach gestrickte Kompressionsstrumpfhose, die Information, dass die Krankheit immer weiter fortschreitet, wenn man nicht operiert – was sehr teuer ist – und noch ein kleiner Lacher über meine Erzählung, dass ich so schwer mein Gewicht halten kann, selbst wenn ich die Kalorienzufuhr auf 1.500 kcal am Tag beschränke.
„Ein guter Rat: Mehr als 1.000 bis 1.200 Kalorien dürfen es bei Ihrem Stoffwechsel nicht sein – und das nur zum Gewicht halten wohlgemerkt. Von Abnehmen sprechen wir hier gar nicht, das ist bei Lipödem sowieso fast unmöglich.“ Mit Tränen in den Augen fuhr ich nach Hause. Das war alles noch viel peinlicher und unangenehmer gewesen, als ich es ohnehin schon befürchtet hatte. Einige Jahre ständiger Kalorienzählerei mit kleinen Phasen des Frustessens später bin ich noch immer normalgewichtig (was nicht jeder schafft, der unter einem Lipödem leidet) – und das ist immerhin etwas. Ausziehen möchte ich mich unter Beobachtung aber weiterhin nicht, zu groß ist die Scham über meinen Körper.
Was mich nun ermutigt, ist die angekündigte Änderung der Gesetzeslage ab 2026: Die gesetzlichen Krankenkassen werden die Kosten für eine Liposuktion bei Lipödem Stadium I und II künftig übernehmen, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Bislang war eine Kostenübernahme nur im Stadium III im Rahmen eines G-BA-Beschlusses möglich – nun sollen auch früher betroffene Patientinnen nicht mehr ausgeschlossen werden.
Allerdings gibt es klare Voraussetzungen:
Diese Änderungen wurden auf Grundlage der wissenschaftlichen Bewertung und jahrelanger politischer Debatte getroffen – ein längst überfälliger Schritt, der vielen Betroffenen nun einen realistischen Weg zur Behandlung eröffnet.
Also bin ich inzwischen fest entschlossen, es endlich anzugehen, und eine Liposuktion im kommenden Jahr anzudenken. Es ist bestimmt kein Spaziergang, aber ich hoffe auf ein paar Jahre weniger Beschwerden und eine insgesamt verbesserte Selbstwahrnehmung. Die Aussicht, mir den eigenen Körper vielleicht wieder etwas mehr zurückzuholen, fühlt sich zum ersten Mal seit Jahren wie eine echte Hoffnung an.
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