Treffen Schlafmangel und extreme Verantwortung aufeinander, liegen schnell mal die Nerven blank. Ein paar Tipps, die ich gern vor meiner ersten 24-Stunden-Schicht in der Klinik gehabt hätte.
Der erste 24-Stunden-Dienst steht an und plötzlich passiert alles gleichzeitig: zu viel Verantwortung, zu wenig Schlaf und irgendwo dazwischen der Versuch, einen Blutdruck zu stabilisieren, der sich einfach nicht beruhigen will. Es gibt keine perfekte Anleitung, wie man solche Dienste „gut“ macht. Aber es gibt ein paar Dinge, die sie ein wenig besser machen – und vor allem aushaltbar.
Vorbereitung ist alles! Wer unausgeschlafen in einen 24-Stunden-Dienst startet, macht sich das Leben unnötig schwer. Am besten geht man am Vortag schön früh ins Bett oder – wenn es der Alltag erlaubt – macht einen kurzen Powernap direkt vor Dienstbeginn. Selbst 20 Minuten können einen großen Unterschied machen. Außerdem ist es wichtig vorher gut zu essen, sodass man den Dienst gestärkt startet. Denn man weiß nie, wie viel Arbeit einen auf Station erwartet und wann man das nächste Mal zum Essen kommt.
Auch vorausschauendes Packen hilft durch den Dienst: Wichtig sind Snacks, die man notfalls im Gehen essen kann, idealerweise energiereich. Man weiß nie, ob und wie lange man eventuell im OP stehen muss. Studentenfutter ist nicht ohne Grund ein Klassiker. Außerdem sollte man ausreichend trinken. Nicht nur Kaffee, sondern auch hydriert bleiben, denn Kopfschmerzen kann man im Dienst nicht gebrauchen. Und das Handyladekabel ist kein „Nice-to-have“, sondern ein echtes Notfalltool.
Während deines Diensts ist ein gutes Gefühl für die Station ist Gold wert. Wer sind die fragilen Patienten? Wer hatte heute ein auffälliges EKG? Wer ist frisch postoperativ, wer macht dem Team schon seit Tagen Sorgen? Wenn du die kritischen Fälle kennst, wirst du seltener überrascht und bist besser auf „Worst-Case“-Szenarien vorbereitet. Das gibt Sicherheit und erlaubt dir, wenn möglich, sogar etwas ruhiger zu schlafen.
Hilfreich ist auch ein kleiner Zettel mit wichtigen Notfallschemata: Was tun bei Hyperkaliämie? Was, wenn plötzlich jemand hypertensiv wird? Niemand kann in Stresssituationen alles auswendig abrufen, besonders nicht in den ersten Nachtdiensten. Dafür ist eine kurze Gedächtnisstütze in deiner Kitteltasche im Notfall gut, auch wenn du sie vielleicht nicht immer brauchst. Unverzichtbar hingegen ist eine griffbereite Liste mit allen wichtigen Telefonnummern. Rea-Team, internistischer Dienst, Chirurgie, Anästhesie, ITS, Röntgen. Klingt bürokratisch, ist aber oft der entscheidende Unterschied zwischen Chaos und Kontrolle.
Wenn sich doch mal die Gelegenheit ergibt zu schlafen, DO IT! Aber, bevor man sich kurz hinlegt, ist es immer wichtig nochmal auf der Station vorbeischauen oder zumindest anrufen. Gibt es noch offene Aufgaben? Ist jemand auffällig? Eine paravasierte Viggo, ein unsicherer Zustand, eine Unruhe, die niemand richtig einordnen kann? Diese zwei Minuten können verhindern, dass du fünf Minuten später wieder geweckt wirst. Und sie zeigen der Pflege: Du hast die Station im Blick, kümmerst dich nicht nur um die Patienten, sondern denkst auch an das Team. Denn auch die Pflege macht gerade eine lange Nacht durch und mit gegenseitiger Unterstützung wird sie für alle erträglicher. Gute Zusammenarbeit sorgt dafür, dass man sich nicht bei jeder Kleinigkeit aus dem Schlaf holt.
Der Moment der ersten Nachtschicht wird kommen. Du stehst allein auf Station und hast das Gefühl, alles wissen und entscheiden zu müssen. Und ja, das ist unangenehm. Aber du weißt mehr, als du denkst. Du bist nicht allein. Die Pflege ist erfahren. Kollegen anderer Fachrichtungen sind ansprechbar. Und auch der Hintergrunddienst, selbst wenn er nicht im Haus ist, ist immer erreichbar. Lieber einmal zu viel angerufen als einmal zu viel gezögert. Unsicherheit ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Verantwortungsbewusstsein.
Klar, ein 24-Stunden-Dienst kann wild werden. Aber wer ruhig bleibt, die richtigen Prioritäten setzt, Fragen stellt und sich nicht aus der Ruhe bringen lässt, kommt durch. Vielleicht nicht erholt, aber gestärkt. Solche Dienste fordern viel, nicht nur medizinisch, sondern auch körperlich und emotional. Aber sie sind machbar. Mit Vorbereitung, Struktur, kollegialer Kommunikation und ein wenig Selbstfürsorge kommt man viel weiter als man denkt. Und: Je öfter du Dienst hast, desto sicherer wirst du – im Team, auf der Station und mit den Situationen, die dir begegnen.
Bildquelle: Midjourney