Das schafft sie schon allein: Die natürliche Flora der Vulva kommt gut ohne Reinigungsmittelchen und ständiges Schrubben aus. Warum ihr mit euren Patientinnen einen Ausflug ins Tabu-Terrain wagen solltet.
„Ich weiß aus der Erfahrung mit Frauen, die jahrelang mit Vulvaproblemen Ärztinnen und Ärzte aufgesucht haben, dass das Thema Intimpflege oftmals völlig untergeht. Es ist noch immer schambesetzt – auch bei Gynäkologinnen und Gynäkologen. Hinzu kommt die Zeitnot in der Praxis. Das Thema muss stärker in den Fokus gerückt werden – sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei Gynäkologinnen und Gynäkologen“, so Prof. Dr. Werner Mendling, Gründer und Leiter des Deutschen Zentrums für Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe an der Landesfrauenklinik Helios der Uniklinik Wuppertal.
In einer quantitativen Umfrage unter Frauen zwischen 18 und 60 Jahren (n = 1.000) empfinden 40 % der Teilnehmerinnen weibliche Intimpflege als Tabuthema. Andererseits beschreiben 89 % der Befragten Intimhygiene als einen Kernbestandteil ihrer Körperpflege; für 60 % gehört sie zur täglichen Routine. Etwa jede vierte Frau hat noch nie mit jemandem über das Thema gesprochen. 94 % der Teilnehmerinnen nutzen unter anderem Duschgel, 84 % auch Seife. Ausschließlich speziell entwickelte Intimpflegeprodukte werden von 4 % verwendet.
In der Vagina einer gesunden prämenopausalen Frau konnten bisher 561 unterschiedliche Bakterienspezies identifiziert werden, davon über 30 verschiedene Laktobazillen, sowie u. a. Darmbakterien, Streptokokken, Ureaplasmen und die asymptomatische Kolonisation mit Candida albicans. Insbesondere die Laktobazillen tragen zur Gesundheit und Entwicklung eines gesunden Immunsystems bei. Einzelne Laktobazillen finden sich in geringer Menge altersunabhängig, aber erst der Hormoneinfluss zwischen Menarche und Menopause begünstigen deren Dominanz und Bedeutung. Östrogene und Progesteron bewirken die Bildung u. a. von Milchsäure (Laktat), die für den physiologischen pH-Wert der Vagina von 3,5–4,5 verantwortlich ist und der optimalen Infektabwehr dient.
Die bakterielle Vaginose (BV) ist weltweit die häufigste vaginale Infektion. Wegen der hohen Rezidivrate und insbesondere auch der Verknüpfung mit Schwangerschaftsrisiken, spielt sie eine bedeutende Rolle in der gynäkologischen Praxis. Charakteristischerweise wird das physiologische Mikrobiom, das normalerweise von Laktobazillen dominiert ist, durch Bakterien wie Gardnerella vaginalis kolonialisiert.
Nur etwa die Hälfte der Frauen gibt Symptome wie veränderten Fluor, Geruchsbildung und fakultativ Juckreiz an. Das Risko für rezidivierende Zystitiden und sexuell übertragbare Krankheiten erhöht sich. Eine leitliniengerechte Therapie mit Clindamycin oder Metronidazol, alternativ vaginalen Antiseptika und eine probiotische Anschlusstherapie mit Laktobazillen nebst Partnertherapie im Rezidivfall werden empfohlen.
Das Ausschalten von Risikofaktoren und Einhaltung von Maßnahmen hilft, rezidivierende Vaginalinfekte zu vermeiden. Hierzu zählen laut Leitlinie etwa Stressvermeidung, ein gesunder Lebensstil mit Nikotinverzicht und ein normales Körpergewicht. Zur Frage des Effektes einer sogenannten vernünftigen Vaginalhygiene und Anwendung von Intim-Waschlotionen gibt es keine eindeutige Datenlage. Es ist nicht bewiesen, dass hiermit Infekten wie einer BV vorgebeugt werden kann. Dagegen wurde in Studien belegt, das spezielle Laktobazillus-Präparate den normalen vaginalen pH-Wert stabilisieren und damit eine BV vermeiden können. Auch scheinen kombinierte orale Kontrazeptiva einen positiven Effekt auf das vaginale Mikrobiom auszuüben.
Ausdrücklich kontraproduktiv scheint eine übertriebene Intimhygiene zu sein. Diese besteht z. B. aus zu häufigem Duschen und dem Dauereinsatz von Slipeinlagen, insbesondere luftundurchlässigen. Aber auch wechselnder ungeschützter Sexualverkehr scheint kontraproduktiv. Eine adäquate Analhygiene, mit bevorzugter Nassreinigung nach jeder Defäkation und Abwischen von vorne nach hinten, sollte bereits im Kindesalter praktiziert werden. Dessous aus Kunstfasern mögen dem Auge schmeicheln, für ein gesundes vaginales Mikrobiom gelten Naturfasern, die mit mindestens 60 Grad waschbar sind, alltagstauglicher und resistenter gegenüber Infekten.
In der Regel reicht die tägliche Reinigung des äußeren Intimbereichs mit lauwarmem Wasser aus, anders nach Sport, Sex oder während der Menstruation. Hier kann eine zusätzliche Reinigung nötig sein. Weitere Pflege- und Reinigungsprodukte, falls erwünscht, sollten für die empfindliche Haut des Intimbereichs ausdrücklich geeignet sein. Besonders stark parfümierte Duschgels oder Seifen, deren pH-Wert nicht dermatologisch angepasst ist, sind zu vermeiden.
Zu trockene Haut, insbesondere in den Wechseljahren, deutet auf einen Hormonmangel hin, wohingegen bei einer Harninkontinenz die zu feuchte Haut eine spezielle Pflege verlangt. Außerdem ist es kontraproduktiv, mehrmals täglich Pflegeprodukte mit intensivem Duft zu verwenden, da die natürliche Hautflora bzw. das vaginale Mikrobiom beeinträchtigt wird und damit Eintrittspforten für Infektionen entstehen.
Intimhygiene muss kein Tabuthema bleiben und gehört in die ärztliche Sprechstunde. Besonders bei rezidivierenden Vaginalinfekten sind neben der entsprechenden Therapie Pflegetipps, Verhaltensmaßregeln und Ursachenforschung angebracht.
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