Açaí-Beeren gelten als Wundermittel: Sie sollen die Haut verjüngen und die Fettverbrennung anregen. Beim Verzehr der Frucht kann aber auch der Parasit Trypanosoma cruzi mitverspeist werden – der Erreger der Chagas-Krankheit. Die Infektion wird oftmals nicht erkannt.
Die Chagas-Krankheit ist vor allem in Süd- und Mittelamerika verbreitet. Raubwanzen übetragen mittels Hämatophagie den Erreger Trypanosoma cruzi. Beim Blutsaugen sondern sie den infektiösen Kot ab, der über Schleimhäute, die Bindehaut der Augen oder Hautverletzungen in den menschlichen Körper eindringen kann. Die akuten Symptome sind wenig spezifisch: Ödeme, Fieber, Bauchschmerzen oder geschwollene Lymphknoten. Wird die Infektion nicht entdeckt oder als grippaler Infekt fehlinterpretiert, kann sie zu chonischen Symptomen führen. Häufig sind das schwere Erkrankungen des Darms oder des Herzens. Jahre nach der Infektion kann es beispielsweise zu einer chronischen Herzvergrößerung kommen. Die Zerstörung von Nervenzellen im Gastrointestinaltrakt führt zur Vergrößerung der Speiseröhre (Megaösophagus) und des Dickdarms (Megacolon). Unbehandelt stirbt jeder zehnte Patient durch einen Ileus oder eine Peritonitis. Infizieren sich schwangere Frauen, kann es zu Fehlbildungen beim Kind kommen.
Derzeit ist keine zugelassene Impfung auf dem Markt verfügbar. Nifurtimox und Benznidazol helfen als Arzneistoffe vor allem während der akuten, oft übersehenen Phase. Umso wichtiger sind Ansätze zur Prävention. Maria Aparecida Shikanai-Yasuda von der Universität São Paulo warnt davor, lediglich Maßnahmen gegen Raubwanzen zu treffen. In Brasilien gehen 100 bis 150 Fälle pro Jahr der Chagas-Krankheit auf das Konto verunreinigter Lebensmittel, erklärt die Tropenmedizinerin.
Während der trockenen Saison zwischen Juli und Dezember komme es auch zu mehr Chagas-Fällen durch Açaí-Beeren und durch Bacabas. In beiden Fällen handelt es sich um Palmenfrüchte. Der Kot der Raubwanzen findet sich auf den Beeren und wird samt Erreger mitverspeist. Dauerformen von T. cruzi überleben im Kot lange Zeit auf den Pflanzen. Einzelnen Fallberichten zufolge kam es in Nachbarländern Brasiliens auch schon durch Palmherzen, Zuckerrohr oder Zitrusfrüchte zu Chagas-Infektionen. Eine Studie mit Açaí-Palmenmark zeigte, dass T. cruzi extrem stabil ist. Weder Kühlung noch Tiefkühlung inaktivierten den Erreger. Andere Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass Trypanosomen nach 20 Minuten bei 43°C abgetötet werden.
Bislang sei es schwierig gewesen, T. cruzi in Lebensmitteln nachzuweisen, schreibt die Forscherin. Im Rahmen einer Konferenz stellte sie ihr innovatives Messverfahren vor. Shikanai-Yasuda arbeitet mit der quantitativen Realtime-PCR. Dabei werden Gensonden, also kurze DNA-Stücke mit gegenläufiger Sequenz zum parasitären Erbgut eingesetzt. Sie tragen Fluoreszenzfarbstoffe und Fluoreszenzlöscher, sodass normalerweise kein optisches Signal auftritt. Liegt in der Probe Erbgut von T. cruzi vor, lassen sich dann Fluoreszenzsignale nachweisen. „Heutzutage ist die orale Übertragung der Chagas-Krankheit in ganz Lateinamerika Realität, und beschränkt sich nicht auf endemische Gebiete“, resümiert Shikanai-Yasuda. Zahlen für die USA oder für Europa liegen momentan zwar nicht vor. Mit Hinweis auf den globalen Handel spricht die Forscherin aber von weltweiten Risiken.