Schmelztablette statt Spritze: Dieser Wirkstoff behandelt Migräne sowohl akut als auch vorbeugend. Allerdings ist auch Vorsicht geboten – denn es gibt viele Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln.
Rimegepant gehört zu einer neuen Klasse von Arzneimitteln gegen Migräne, die als Gepante bezeichnet werden. Im Gegensatz zu monoklonalen Antikörpern wie Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab oder Eptinezumab, muss Rimegepant nicht gespritzt werden. Seit Juni 2025 ist der Wirkstoff auch in Deutschland erhältlich.
Bei der Migräne handelt es sich um eine neurologische Erkrankung. Es kommt dabei zu halbseitigem, pulsierendem Kopfschmerz, der immer wieder auftreten kann. Die Anfälle dauern in der Regel zwischen 4 und 72 Stunden und werden häufig von Übelkeit, Erbrechen sowie Licht- und Lärmempfindlichkeit begleitet. Bei etwa 15 bis 25 Prozent der Betroffenen kommt es zu einer Aura – Symptomen wie Sehstörungen, Kribbeln oder Sprachstörungen. Sie tritt meist vor dem Kopfschmerz auf und kann während des Kopfschmerzes fortbestehen.
Die genauen Ursachen der Migräne sind nach wie vor nicht vollständig geklärt. Man geht davon aus, dass erbliche Faktoren zusammen mit einer Fehlsteuerung im Gehirn und der Freisetzung bestimmter Botenstoffe wie Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) eine wichtige Rolle bei der Entstehung spielen. Vor allem CGRP scheint die Blutgefäße zu erweitern und eine Entzündung der Hirnhautgefäße auszulösen, was für den Schmerz verantwortlich gemacht wird.
Zugelassen ist Rimegepant sowohl zur Akutbehandlung von Migräneanfällen mit oder ohne Aura als auch zur Prophylaxe bei episodischer Migräne bei Erwachsenen. Seine doppelte Zulassung macht es einzigartig – es ist das erste Arzneimittel in der EU, das für beide Anwendungsgebiete gleichzeitig zugelassen wurde. Im Gegensatz dazu ist Atogepant – ein weiteres Gepant, das in der EU seit August 2023 zugelassen ist und seit 2025 in Deutschland verfügbar ist – nur zur Vorbeugung von Migräne zugelassen. Voraussetzung für die vorbeugende Behandlung ist, dass Betroffene unter mindestens 4 Migräneattacken pro Monat leiden.
Rimegepant wirkt, indem es den CGRP-Rezeptor vorübergehend blockiert, was die Gefäßerweiterung und die Entzündungsreaktionen reduziert. Es wird in Form einer Schmelztablette in einer Dosierung von 75 Milligramm eingenommen, die sich ohne Flüssigkeit im Mund auflöst und damit eine einfache Anwendung ermöglicht. Bei einem akuten Migräneanfall wird sie einmal, zur Vorbeugung jeden zweiten Tag eingenommen. Die Einnahme kann unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. Die Wirkung hält bis zu 48 Stunden an.
Problematisch ist, dass Rimegepant viele Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln eingehen kann. Es wird vor allem über das Enzym CYP3A4 und in geringerem Ausmaß auch über CYP2C9 abgebaut. CYP-Enzyme spielen eine wichtige Rolle im sogenannten Phase-I-Metabolismus. Dabei verändern sie die chemische Struktur vieler Substanzen, sodass diese wasserlöslicher werden und besser aus dem Körper ausgeschieden werden können. Mehr als siebzig Prozent aller Arzneimittel werden über CYP-Enzyme verstoffwechselt. CYP3A4 ist dabei das am häufigsten vorkommende Enzym in der Leber und am Abbau von über der Hälfte aller Arzneimittel beteiligt. Substanzen, die CYP3A4 hemmen, verlangsamen den Abbau von Rimegepant und verstärken dadurch seine Wirkung.
Zu den stärksten Hemmstoffen von CYP3A4 gehören Grapefruit und Clarithromycin. Fluconazol hemmt CYP3A4 mittelstark und Fluvoxamin schwach. Substanzen, die CYP3A4 anregen, beschleunigen den Abbau von Rimegepant und schwächen dadurch seine Wirkung ab. Dazu gehören zum Beispiel Johanniskraut, Rifampicin sowie die Antiepileptika Carbamazepin und Phenytoin.
Rimegepant ist außerdem ein Substrat des P-Glykoproteins (P-gp) und von BCRP. Das P-Glykoprotein ist ein Transportprotein der Zellmembran. Es wird auch als Effluxpumpe bezeichnet, da es körperfremde Stoffe aktiv aus dem Inneren der Zelle nach außen schleust. Es hindert zum Beispiel verschiedene Wirkstoffe daran, aus dem Dünndarm ins Blut aufgenommen zu werden. Das P-Glykoprotein kann induziert werden, wodurch seine Aktivität verstärkt wird und Arzneimittel noch schneller ausgeschleust werden. Typische Induktoren sind ebenfalls die oben genannten Wirkstoffe. Ebenso kann es blockiert werden, was dann wiederum zu einer höheren Bioverfügbarkeit des Arzneistoffs und einer stärkeren Wirkung im zentralen Nervensystem führen kann.
Typische Arzneimittel, die das P-Glykoprotein hemmen, sind zum Beispiel: Verapamil, Ritonavir, Itraconazol und Ketoconazol, Chinidin und Chinin. BCRP ist ein weiteres Transportprotein, das wie das P-Glykoprotein dazu dient, unerwünschte Stoffe aus den Zellen hinauszuschleusen. Es wird ebenfalls als Effluxtransporter bezeichnet und findet sich vor allem in der Darmschleimhaut, der Leber, der Niere sowie an der Blut-Hirn-Schranke. Auch BCRP kann durch verschiedene Substanzen gehemmt oder aktiviert werden. Typische Hemmstoffe sind zum Beispiel Ketoconazol und Gefitinib. Wird BCRP gehemmt, kann das die Konzentration von Rimegepant im Körper erhöhen und damit die Wirkung verstärken. Induktoren von BCRP sind Rifampicin oder Johanniskraut; für eine solche Beeinflussung gibt es bei Rimegepant allerdings keine gesicherten Nachweise.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen während der Einnahme zählen Übelkeit, allergische Reaktionen, Dyspnoe und Hautausschläge. Übelkeit trat bei etwa 1,4 Prozent der Patienten auf, unter Placebo bei etwa 1 Prozent. Hypersensibilitätsreaktionen, einschließlich Hautausschlag, wurden bei weniger als einem Prozent beobachtet. Schwerwiegende Überempfindlichkeitsreaktionen traten in Studien nur selten auf, meist jedoch verzögert – und zwar Tage nach der Einnahme. Kommt es zu solchen Reaktionen, sollte die Behandlung sofort beendet werden. Weniger als 2 Prozent brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab. Grundsätzlich wurde Rimegepant in den Studien gut vertragen.
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