Bei Schlafstörungen, Schmerzen oder Stress gelten CBD-Produkte als vermeintlich harmlose Helfer. Doch eine neue Studie zeigt: Schon handelsübliche Dosen können die Leber gefährden, ohne dass Betroffene es merken.
Cannabidiol (CBD) ist eines von über 110 Cannabinoiden, die in der Cannabis-Pflanze enthalten sind. Anders als das psychoaktive Tetrahydrocannabinol (THC) wirkt CBD nicht berauschend. Forscher schreiben der Substanz entkrampfende, entzündungshemmende, angstlösende und antiemetische Effekte zu. Doch jenseits evidenzbasierter Therapien wächst der Markt an frei verkäuflichen Produkten wie Ölen, Gummibärchen, Cremes oder Liquids. Die Anwendungspalette ist breit: Sie reicht von Schlafstörungen und Angstzuständen bis hin zu chronischen Schmerzen, meist bei schlechter Datenlage.
In den USA gab rund jeder fünfte Erwachsene (21 %) an, im vergangenen Jahr Cannabidiol (CBD) verwendet zu haben, meist ohne ärztliche Begleitung und in sehr unterschiedlichen Dosierungen. Genau hier setzt eine aktuelle Studie aus JAMA Internal Medicine an: Wie sicher ist CBD wirklich – vor allem mit Blick auf die Leberfunktion?
Die Studie im Überblick. Quelle: Jeffry Florian et al.: Cannabidiol and Liver Enzyme Level Elevations in Healthy Adults. A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2025 Jul. doi: 10.1001/jamainternmed.2025.2366
Für mehr Wissen sorgt jetzt eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit 201 gesunden Probanden. 151 von ihnen erhielten über 28 Tage ein frei verkäufliches CBD-Präparat (5 mg/kg Körpergewicht pro Tag) – eine Dosis, die Konsumenten mit handelsüblichen Produkten durchaus erreichen – 50 Probanden bekamen ein Placebo.
Bei acht Teilnehmern (5,6 %) stiegen unter CBD die Leberenzyme auf mehr als das Dreifache des Normwerts, bei 3,3 % auf mehr als das Fünffache und bei 1,3 % sogar auf das Zehnfache. Die höchste gemessene Transaminase lag bei über dem 18-fachen des oberen Normwerts. Sieben dieser acht Fälle erfüllten Kriterien für einen arzneimittelinduzierten Leberschaden. Keine der betroffenen Personen zeigte klinische Symptome wie Ikterus oder Abgeschlagenheit. Auffällige Laborwerte normalisierten sich jedoch nach vollständigem Absetzen des CBD-Präparats wieder. In der Placebo-Gruppe gab es keinerlei Effekte auf die Leberenzyme.
In einem begleitenden Editorial diskutieren Experten die Problematik der CBD-Einnahme. Bekanntlich sind leicht erhöhte Leberwerte in der hausärztlichen Praxis keine Seltenheit. Etwa 10 bis 20 % aller ambulanten Patienten zeigen pathologische Transaminasen, oft ohne klare Ursache. Nur wird CBD als möglicher Auslöser kaum erfasst – weder in der Anamnese noch bei der Differenzialdiagnostik. Dabei existieren längst Empfehlungen, bei CBD-Dosierungen über 300 mg täglich regelmäßig die Leberfunktion zu kontrollieren. Die neue Studie legt nahe: Auch deutlich geringere Dosen können selbst bei gesunden Personen biochemische Zeichen einer Leberschädigung hervorrufen.
Doch die Studie hat mehrere Limitationen. Die Probanden waren jung, gesund, ohne Komorbiditäten und nahmen keine weiteren Medikamente ein. Menschen mit chronischen Erkrankungen, Multimedikation, Alkoholgebrauch oder Lebererkrankungen – also genau jene Gruppen, bei denen das Risiko potenziell am höchsten ist, waren nicht Teil der Studie. Das macht die Übertragbarkeit der Ergebnisse schwierig.
Besonders kritisch: Ältere Erwachsene zählen zur am schnellsten wachsenden Nutzergruppe von Cannabis und von CBD-Produkten. Gerade in dieser Altersgruppe sind Komorbiditäten, Polymedikation und reduzierte Leberfunktion häufig. Diese Risikofaktoren könnten potenziell zu Leberschäden führen.
Ein weiterer Schwachpunkt der Studie liegt in ihrer kurzen Laufzeit von lediglich 28 Tagen. Das ist problematisch, denn eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2023 zeigt, dass die meisten dokumentierten Leberschäden in Zusammenhang mit CBD erst nach längerer Einnahmedauer auftreten. Viele Menschen nehmen CBD jedoch über Wochen oder sogar Monate hinweg ein – oft ohne ärztliche Aufklärung, Kontrolle oder Begleitung.
Zwar haben sich alle auffälligen Laborwerte nach dem Absetzen von CBD wieder normalisiert – das klingt beruhigend – nur schlucken vielen Anwender CBD eben langfristig. Chronische, irreversible Leberschädigungen sind bei ihnen denkbar.
Trotz offener Fragen sind die Ergebnisse der Studie ein Warnsignal. Ärzte sollten Patienten bei unklar erhöhten Leberwerten routinemäßig nach CBD-Konsum fragen – auch wenn es sich um scheinbar harmlose Präparate handelt. Und neue Studien sollten ältere, multimorbide Patientengruppen einschließen, auch mit längerer CBD-Einnahme.
Nicht zuletzt ist die Gesundheitspolitik gefordert: Immer mehr Experten machen sich dafür stark, CBD nur noch als Arzneimittel anstatt als Nahrungsergänzungsmittel in den Handel zu bringen. Rechtliche Bewertungen untermauern diese Sichtweise.
Die Studie auf einen Blick
Quellen
Florian et al.: Cannabidiol and Liver Enzyme Level Elevations in Healthy Adults. A Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2025. doi: 10.1001/jamainternmed.2025.2366
Stall et al.: Elevated Concerns About Cannabidiol and Liver Enzymes. JAMA Intern Med. 2025 Jul 7. doi: 10.1001/jamainternmed.2025.2363
Bildquelle: Joshua Earle, Unsplash