Im menschlichen Körper wimmelt es nur so von Plastik. Ist das gefährlich für Patienten – und sollten bei Ärzten schon die Alarmglocken läuten? Ein Überblick.
Plastik ist allgegenwärtig, in Verpackungen, Kleidung, Medizinprodukten – und zunehmend auch in unserem Körper. Was bislang vor allem als Umweltproblem galt, rückt zunehmend in den Fokus der medizinischen Forschung. Mikro- und Nanoplastik, also Kunststoffpartikel in der Größenordnung unter fünf Millimetern beziehungsweise unter einem Mikrometer, werden mittlerweile in verschiedenen humanen Geweben und Flüssigkeiten nachgewiesen.
Die gesundheitlichen Folgen sind noch nicht abschließend geklärt; erste Hinweise aus experimentellen Studien und Beobachtungen deuten jedoch auf ein potenziell relevantes Risiko hin. Eine aktuelle Pressekonferenz des Science Media Center Germany mit Fachleuten aus Zellbiologie, Kardiologie und Pathologie warf einen differenzierten Blick auf die Datenlage – und zeigte zugleich auf, wo die größten Wissenslücken liegen.
Die orale Aufnahme über Nahrung und Trinkwasser gilt als die mit Abstand wichtigste Expositionsquelle. Besonders stark belastet sind laut Dr. Eleonore Fröhlich (Medizinische Universität Graz) Trinkwasser aus Plastikflaschen, Meeresfrüchte, Salz und verpackte Lebensmittel. Inhalative Einträge spielen eine untergeordnete Rolle, da die Lunge mit effektiven Barriere- und Reinigungsmechanismen ausgestattet ist.
Auch die dermale Aufnahme über Kleidung oder Oberflächenkontakt wird bei gesunden Hautzuständen als vernachlässigbar eingeschätzt. Eine Ausnahme stellen invasive medizinische Maßnahmen dar: Bei Infusionen oder Operationen kann Mikroplastik potenziell direkt in den Blutkreislauf gelangen – ein theoretisch relevanter, aber in der Praxis quantitativ geringer Pfad.
Tierstudien zeigen, dass Mikroplastik nach oraler Gabe innerhalb weniger Stunden systemisch im Organismus verteilt ist. Prof. Lukas Kenner (Medizinische Universität Wien) bestätigt, dass Partikel in nahezu allen untersuchten Organen nachweisbar waren – einschließlich Leber, Darm, Lunge und Gehirn. Für das Eindringen in schwer zugängliche Kompartimente binden sich Partikel im Blut an körpereigene Moleküle wie Cholesterin und können so biologische Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
Besonders bemerkenswert ist der Nachweis von Mikroplastik in Tumorgeweben. In Prostata- und Kolonkarzinomen wurde eine deutlich höhere Partikelkonzentration festgestellt als im angrenzenden gesunden Gewebe. In vitro zeigen Tumorzellen zudem eine aktive Aufnahme der Partikel via Endozytose, verbunden mit einer gesteigerten Zellmotilität – ein potenziell relevanter Mechanismus für die Metastasierung. Ob diese Beobachtungen auf humane Tumorprogression übertragbar sind, ist noch unklar und daher Gegenstand aktueller Forschung.
Neben der Gewebeverteilung spielt die immunologische Reaktion auf Mikroplastik eine zentrale Rolle. Dr. Karsten Grote (Universitätsklinikum Gießen und Marburg) beobachtete in Zellkulturmodellen von Endothel- und Immunzellen eine konsistente Aktivierung proinflammatorischer Signalwege. Die Reaktion ist subklinisch, ähnelt aber chronisch-metabolischen Entzündungsprozessen.
Tiermodelle zeigten zudem, dass Mikroplastik nicht zwangsläufig die Entstehung atherosklerotischer Plaques beeinflusst, wohl aber deren Stabilität. In den betroffenen Tieren waren Plaques weniger bindegewebsreich und potenziell rupturgefährdeter. Eine prospektive Studie aus Italien (ca. 500 Patienten) bestätigte diese Befunde: In etwa der Hälfte der untersuchten Plaques war Mikroplastik nachweisbar – insbesondere bei jenen mit schwereren kardiovaskulären Verläufen. Begleitend wurden erhöhte Entzündungsmarker und instabilere Plaque-Morphologien festgestellt.
Die Toxizität von Mikroplastik ist weniger eine Frage der absoluten Menge als der Partikelgröße. Während größere Partikel (> 10 µm) zumeist ausgeschieden oder phagozytiert werden, können Nanoplastikpartikel (< 1 µm) in Zellen eindringen und dort akkumulieren. Ihre große spezifische Oberfläche ermöglicht es ihnen zudem, toxische Begleitstoffe – darunter Weichmacher, Schwermetalle oder bakterielle Toxine – zu binden und in den Organismus zu bringen.
Diese partikelgebundenen Kontaminanten stehen zunehmend im Fokus, da sie in einigen experimentellen Setups stärkere Entzündungsreaktionen hervorrufen als der Kunststoff selbst. Auch die Interaktion mit der intestinalen Mikrobiota in Form von Dysbiosen könnte ein bislang unterschätzter Pathomechanismus sein, insbesondere bei prädisponierten Patienten.
Trotz wachsender Evidenz für eine systemische Verteilung und immunologische Relevanz von Mikroplastik bleibt die klinische Datenlage dünn. Noch existieren keine klaren Grenzwerte, keine belastbaren Empfehlungen zur Expositionsreduktion und kaum prospektive Humanstudien mit Verlaufsbezug.
Die Forschung zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik steht erst am Anfang. Die bisherigen Erkenntnisse legen nahe, dass es sich nicht um einen rein ökologischen, sondern auch um einen medizinisch relevanten Risikofaktor handelt. Systemische Entzündungen, mögliche Einflüsse auf Tumorverhalten und vaskuläre Pathologien lassen den Schluss zu, dass Mikroplastik durchaus mehr ist als nur ein Umweltproblem. Für die Medizin bedeutet das: Es braucht dringend weitere Forschung – und klinisches Bewusstsein für eine bislang kaum adressierte, aber möglicherweise relevante Einflussgröße auf die Gesundheit des Menschen.
Bildquelle: Milad Fakurian, Unsplash