Bislang galt: Bei Schlaganfällen wird der Kopf um 30° hochgelagert. Eine Studie stellt das jetzt infrage. Könnte die flache Kopflagerung dem etablierten Vorgehen überlegen sein?
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung
Erleiden Patienten einen ischämischen Schlaganfall, zählt jede Minute – das ist unbestritten. Doch nicht nur die rasche Therapie, z. B. mittels Thrombektomie, entscheidet über die Prognose. Auch die Phase davor bietet Möglichkeiten, den klinischen Verlauf positiv zu beeinflussen. So zeigen ältere Arbeiten, dass eine flache Kopflagerung die Durchblutung der Penumbra, also des Hirngewebes mit lebenden Zellen nahe der Nekrose-Zone, verbessern kann. Für Empfehlungen gab es aber bisher nicht genügend Evidenz.
Deshalb haben US-Neurologen mit einer randomisiert-kontrollierten Studie den Ansatz systematisch untersucht. Sie bestätigen, dass Patienten, die vor einer Thrombektomie in 0°-Position gelagert worden waren, ein deutlich geringeres Risiko der neurologischen Verschlechterung hatten als Kontrollen mit der üblichen 30°-Hochlagerung.
Für die Untersuchung haben Neurologen an mehreren zertifizierten Thrombektomie-Zentren insgesamt 92 Patienten mit anterioren oder posterioren Großgefäßverschlüssen (Large Vessel Occlusion, LVO) ausgewählt. Voraussetzung für die Aufnahme in die Studie war ein CT-angiografisch gesicherter Gefäßverschluss. Bei anterioren Verschlüssen musste zusätzlich ein Alberta Stroke Program Early CT Score (ASPECT-Score) von mindestens 6 vorliegen. Weitere Kriterien waren der Nachweis einer Penumbra, also von Gewebe, das bei Reperfusion potenziell gerettet werden kann. Darüber hinaus wurden nur Personen mit einem niedrigen Wert auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS 0 bis 1) eingeschlossen.
Blutungen oder Raumforderungen haben Ärzte bei allen Teilnehmern per Bildgebung ausgeschlossen. Eine Aufnahme in die Studie war bis zu 24 Stunden nach Symptombeginn möglich.
Nach Randomisierung wurden die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt: eine flache Positionierung mit 0°-Kopflagerung und eine Hochlagerung um 30°. Ziel der Untersuchung war, herauszufinden, ob sich der neurologische Zustand vor Durchführung der Thrombektomie in Abhängigkeit von der Lagerung verändert. Zur Verlaufsbeobachtung diente der NIH Stroke Score (NIHSS), deren Werte Neurologen alle zehn Minuten erhoben haben.
Ein bemerkenswerter Befund der Studie: Obwohl Patienten in der Gruppe mit flacher Lagerung im Schnitt ca. 1,5 Stunden später in der Klinik waren und die Thrombektomie ebenfalls verzögert durchgeführt wurde, blieb ihr neurologischer Zustand bis zur Intervention stabil. Anders in der Vergleichsgruppe mit 30°-Hochlagerung: Dort kam es 34-mal häufiger zu einer klinischen Verschlechterung um mindestens zwei Punkte auf der NIHSS-Skala.
Noch gravierender fiel der Unterschied bei stärkerer Progression der Symptome aus. Während sich in der 0°-Gruppe nur eine Person um vier oder mehr Punkte verschlechtert hat, betraf dies in der 30°-Gruppe ganze 20 Patienten.Auch in der Langzeitbeobachtung über 90 Tage zeigte sich ein deutlicher Überlebensvorteil für die Flachlagerung. Die Mortalität lag in dieser Gruppe bei lediglich 4,4 %, während sie in der Hochlagerungsgruppe mit 21,7 % fast fünfmal so hoch war.
In explorativen Auswertungen der Daten zeigten sich auch bei der funktionellen Erholung Vorteile: 24 Stunden nach der Thrombektomie hatten sich bei 86,7 % in der 0°-Gruppe die NIHSS-Werte verbessert, in der 30°-Gruppe hingegen nur bei 59,6 %. Und nach drei Monaten hatten 68,9 % einen guten funktionellen Status, verglichen mit 56,5 % der Hochlagerungsgruppe.
Die Studie weist mehrere Einschränkungen auf. So wurde nur eine relativ kleine Zahl an Patienten eingeschlossen. Zudem sahen die NIHSS-erhebenden Ärzte die unterschiedliche Kopfposition; eine Verblindung war nicht möglich. Sie wussten aber nicht, welchen Sinn das Studiendesign hatte. Darüber hinaus wurden keine Patienten in die Studie aufgenommen, die zwischen verschiedenen Kliniken verlegt worden waren.
Trotz dieser Limitationen zeigen die Studienergebnisse, dass sich eine flache Kopfposition vor einer Thrombektomie eignen könnte, um neurologische Verschlechterungen zu vermeiden und das Ergebnis zu verbessern. Ob diese Lagerung sinnvoll ist, sollte individuell geprüft werden – speziell in Hinblick auf die Aspirationsgefahr oder vorbestehende Probleme der Atemwege.
Zusammenfassung
Quelle
Alexandrov et al.: Optimal Head-of-Bed Positioning Before Thrombectomy in Large Vessel Occlusion Stroke: A Randomized Clinical Trial. JAMA Neurol, 2025. doi: 10.1001/jamaneurol.2025.2253
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