Künstliche Intelligenz wird in immer mehr Branchen eingesetzt. Auch das Gesundheitswesen bleibt davon nicht verschont. Das kann zum Teil sinnvoll sein – aber nur, wenn sich alle darauf einlassen.
Die deutsche Gesundheitsversorgung steht unter Druck: Fachkräftemangel, veraltete Arbeitsweisen und zunehmende Belastung durch den demografischen Wandel stellen das System vor enorme Herausforderungen. Hierbei rückt die Künstliche Intelligenz zunehmend in den Vordergrund; es stellt sich die Frage, ob sie das Potenzial hat, das Gesundheitssystem resilienter zu machen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Welche Rolle kann sie wirklich einnehmen und wie reagiert medizinisches Personal auf die potenzielle Einführung von KI in das Gesundheitssystem?
Claudia Rössing, Präsidentin Radiologie und Funktionsdiagnostik DVTA e.V., beantwortet genau diese Fragen in ihrem Vortrag „KI als Schlüssel für mehr Resilienz und Fachkräftesicherung im Gesundheitswesen“. In ihrer quantitativen Befragung medizinisch-technischer Fachkräfte (MTR) zeigt sich ein eindeutiges Bild: 66 % der Befragten sehen ein klares Entlastungspotenzial in der Anwendung von KI in ihrem Bereich. Besonders Tätigkeiten wie Planung, Datenauswertung, Dokumentation und Unterstützung bei Diagnostik (CT, MRT) werden häufig als Bereiche genannt, in denen KI zur Reduktion von Arbeitslast beitragen kann.
Künstliche Intelligenz wird bei den Mitarbeitern als Teil einer möglichen Lösung gesehen. Im Mittelpunkt steht dabei der Wunsch, durch Effizienzsteigerung Arbeitsprozesse zu erleichtern und nicht, Prozesse zu beschleunigen, um damit die Arbeitsdichte zu erhöhen.
Hier werden zwei zentrale Handlungsrichtungen deutlich, in denen KI die Fachkräfte im Gesundheitswesen entlasten kann: Zum einen eine Verbesserung durch gezielten Abbau von technischen und teilweise sich wiederholenden Vorgängen, dazu zählt zum Beispiel eine doppelte Dokumentation oder das Filtern von Patientendaten. Andererseits kann die KI aber auch die Qualität steigern bzw. absichern, beispielsweise bei der Auswertung von Röntgenbildern. Dabei soll die optimale Balance gefunden werden, um die bestmögliche Versorgung der Patienten zu priorisieren und gleichzeitig Fachkräfte signifikant zu entlasten.
Diese Überlegungen stützen sich auf Modelle wie das Lean Management, die Purpose Economy oder Value-Based Healthcare, in denen Effizienz, Sinnorientierung und Patientenwohl zusammengebracht werden. Gerade weil es sich bei der Medizin bzw. dem Gesundheitswesen um ein Hochrisikogebiet handelt, ist es für eine erfolgreiche Etablierung von KI notwendig, Wert auf Transparenz, Vertrauen, Verlässlichkeit und Bildung zu legen. Vertrauen hat einerseits der Patient gegenüber dem medizinischen Personal, sich bestmöglich um seine Gesundheit zu bemühen. Andererseits braucht es auch das Vertrauen der medizinischen Fachkräfte in die KI – und somit auch in die Verlässlichkeit der KI. Ist dieses Vertrauen verletzt, kann das die Implementierung erheblich behindern.
Im Moment ist das deutsche Gesundheitssystem stark ökonomisch ausgerichtet. Erbrachte Leistung wird nach Menge und nicht nach Qualität vergütet, parallel streben Fachkräfte nach Arbeitsentlastung und Work-Life-Balance. Diese Diskrepanz wird als „Wertkrise“ bezeichnet und KI kann nur dann gewinnbringend etabliert werden, wenn sie werteorientiert eingesetzt wird. Dann kann sie auch zur Resilienz des Systems beitragen und gleichzeitig die Motivation und Bindung von Fachkräften stärken.
Denn nur, wenn Fachkräfte sich mitgenommen und befähigt fühlen, kann KI ihre entlastende Wirkung voll entfalten. Daher ist es wichtig, diesen bereits bekannten Hindernissen entgegenzuwirken und entscheidende Voraussetzungen zur Implementierung zu berücksichtige. Diese wären: Fort- und Weiterbildung zu KI-Anwendungen, Entwicklung erklärbarer, transparenter Systeme und Arbeitsplatzbezogene Sicherheitsgarantien.
Künstliche Intelligenz kann in der Tat ein wirksames Instrument zur Entlastung von Gesundheitsfachkräften darstellen. Die Entlastung durch KI entsteht aber nicht von allein, sondern nur durch einen sinnvollen Einsatz. Als reines Effizienzinstrument läuft die Etablierung Gefahr, bestehende Probleme zu verschärfen, statt zu lösen. Wichtig ist, die KI richtig in das Gesundheitswesen zu integrieren. Dabei darf der „Faktor Mensch“ nie aus den Augen gelassen werden, denn er spielt in dieser Zusammenarbeit eine große Rolle. Die zentrale Frage in dieser Thematik ist also nicht, ob KI etabliert werden kann oder sollte – sondern eher, wie.
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