Eine die Chemotherapie begleitende Antibiotikagabe könnte das Überleben von Patienten mit Pankreaskarzinomen verbessern. Das zeigt eindrucksvoll, welche Bedeutung das Mikrobiom als therapeutisches Ziel hat. Erfahrt hier mehr.
Eine aktuelle Studie im British Journal of Cancer sorgt für Aufmerksamkeit: Forscher um Günther et al. zeigten, dass die bakterielle Belastung in resezierten Pankreaskarzinomen die Wirksamkeit einer adjuvanten Gemcitabin-Therapie beeinflussen kann. Die Gabe von Antibiotika nach der Operation ging mit einer signifikanten Verbesserung des Gesamtüberlebens einher. Vor dem Hintergrund, dass das Pankreaskarzinom eine Gesamt-Fünf-Jahres-Überlebensrate von nur 11 % hat, verleiht diese Erkenntnis einer länger diskutierten Hypothese neues Gewicht: Könnten Betroffene generell von einer begleitenden Antibiotikagabe profitieren?
Seit wenigen Jahren ist bekannt, dass Bauchspeicheldrüsentumoren häufig intratumorale Bakterien enthalten – besonders Gammaproteobakterien –, die das Enzym Cytidin-Deaminase exprimieren. Dieses kann Gemcitabin, ein zentrales Chemotherapeutikum beim Pankreaskarzinom, deaktivieren. Die Reduktion dieser Bakterien durch Antibiotika erscheint daher als plausibler Ansatz zur Verbesserung der Therapieeffizienz.
In der aktuellen Studie zeigte sich: Patienten mit hoher intratumoraler Bakteriendichte, die keine Antibiotika erhielten, hatten eine deutlich verkürzte Überlebenszeit (Overall Survival: 15,2 Monate). Dagegen lebten jene mit Antibiotikagabe postoperativ signifikant länger (OS: 29,6 Monate). Selbst bei niedriger bakterieller Belastung verbesserte sich das Überleben der entsprechend behandelten Patientengruppe durch Antibiotikagabe von 28,5 auf 56 Monate.
Bereits zuvor hatte eine retrospektive Analyse des MD Anderson Cancer Centers bei 580 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom gezeigt, dass eine Antibiotikagabe unter Gemcitabin zu einer Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens von 10 auf 13,3 Monate führte (Hazard Ratio 0,4; p = 0,0013). Auch eine bevölkerungsbasierte Analyse auf Basis der SEER-Medicare-Daten mit 3.850 Patienten bestätigte einen Überlebensvorteil von 11 % bei Antibiotikagabe rund um den Beginn einer Gemcitabin-Therapie (HR 0,89; p = 0,003). Für Patienten mit 5-FU-basierten Schemata ergab sich hingegen kein signifikanter Vorteil.
Bei resezierten, früh erkannten Tumoren zeigte sich ebenfalls ein Vorteil: Eine retrospektive US-Studie – ebenfalls aus diesem Jahr – beobachtete eine 37%ige Verbesserung des Gesamtüberlebens, wenn innerhalb des ersten Monats nach Beginn der adjuvanten Gemcitabin-Therapie Antibiotika verabreicht wurden. Weitere kleinere Studien deuten auf Vorteile bei bestimmten Antibiotikaklassen hin. So konnte bei Patienten mit metastasiertem PDAC unter längerfristiger Makrolidgabe (> 3 Tage) ein verlängertes Gesamt- und sogar ein progressionsfreies Überleben festgestellt werden.
Derzeit werden drei zentrale Wirkansätze diskutiert:
Die Mehrheit der bisherigen Studien ist retrospektiv und unterliegt möglichen Verzerrungen (Survivorship Bias, Confounder). Die verwendeten Antibiotikaregime sind nicht standardisiert und es fehlen prospektive randomisierte Studien, die Nutzen, Risiken und optimale Auswahl der Substanzen evaluieren. Auch mögliche Resistenzentwicklungen sowie gastrointestinale Nebenwirkungen – etwa Clostridioides-difficile-Infektionen – müssen beachtet werden.
Die Evidenz spricht zunehmend für einen potenziellen Nutzen begleitender Antibiotikatherapie unter Gemcitabin, insbesondere bei resezierten oder metastasierten Tumoren mit hoher bakterieller Belastung. Nicht-Penicillin-β-Laktame und Makrolide mit guter Gewebegängigkeit ins Pankreas erscheinen besonders geeignet. Eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung ist jedoch zwingend erforderlich und bis zur Durchführung prospektiver Studien bleibt der Einsatz individuell zu prüfen.
Gerade für Pharmazeuten eröffnet das Mikrobiom als therapeutisches Ziel neue Perspektiven. Die Modulation – sei es durch Antibiotika, Probiotika oder mikrobiom-schonende Formulierungen – stellt ein zukunftsträchtiges Forschungsfeld dar. Die pharmazeutische Wissenschaft kann hier einen wichtigen Beitrag leisten, etwa durch die Entwicklung individualisierter Therapiekonzepte oder die Aufklärung mikrobiombezogener Arzneimittelinteraktionen.
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