PFAS stecken in Pfannen und Verpackungen – und bleiben für immer. Die sogenannten Forever Chemicals sind mittlerweile bei nahezu jedem im Blut nachweisbar. Jetzt zeigt sich: Sie könnten Diabetes verursachen.
Für Eilige gibt’s am Ende des Artikels eine kurze Zusammenfassung.
In Deutschland leben derzeit rund acht bis neun Millionen Menschen mit bekanntem Typ-2-Diabetes (T2D). Hinzu kommt eine Dunkelziffer von schätzungsweise 2 Millionen nicht diagnostizierten Fällen. Weitere zehn bis zwölf Millionen gelten als prädiabetisch. Die weltweite Zahl an Neuerkrankungen ist innerhalb von knapp 30 Jahren – von 1990 bis 2017 – um mehr als 100 Prozent angestiegen. Nur warum?
Neben bekannten Risikofaktoren wie ungesunder Ernährung, Bewegungsmangel und genetischer Veranlagung rücken Umweltfaktoren in den Fokus. Besonders per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen, kurz PFAS, stehen unter Verdacht, eine Rolle bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes zu spielen.
Eingesetzt werden PFAS in Textilien, Löschschäumen sowie in beschichtetem Kochgeschirr oder Lebensmittelverpackungen. Sie sind extrem langlebig und bauen sich in der Umwelt bzw. im menschlichen Körper kaum ab. In vielen Industrienationen finden Wissenschaftler PFAS im Blut von über 98 Prozent der Bevölkerung.
Zahlreiche Studien haben Hinweise darauf geliefert, dass eine erhöhte PFAS-Belastung mit einem höheren Risiko für Typ-2-Diabetes sowie mit weiteren Stoffwechselstörungen einhergehen kann, darunter Adipositas, gestörte Fett- und Leberwerte oder hormonelle Veränderungen im Fettgewebe. Doch die Datenlage war bislang schlecht: Viele Untersuchungen konzentrierten sich auf bestimmte ethnische Gruppen; auch die biologischen Mechanismen blieben ungeklärt
Ziel einer aktuellen Untersuchung war deshalb, herauszufinden, ob eine Belastung mit PFAS mit der späteren Entwicklung eines Typ-2-Diabetes zusammenhängt. Gleichzeitig wollten die Forscher metabolische Veränderungen identifizieren, um Zusammenhänge biologisch zu untermauern. Das untersuchte Material kam aus der BioMe-Biobank am Mount Sinai Hospital in New York. Dort haben Forscher seit 2007 Gesundheitsdaten und Blutproben von mehr als 65.000 Patienten, größtenteils aus der allgemeinmedizinischen Versorgung, gesammelt. Proben von Personen mit bereits bestehendem Typ-2-Diabetes wurden ausgeschlossen.
In der verbliebenen Kohorte fanden Wissenschaftler 180 Personen, bei denen Ärzte innerhalb von sechs Jahren nach Probenentnahme erstmals Typ-2-Diabetes diagnostiziert haben. Diese sogenannten „incident cases“ setzten sich jeweils zu einem Drittel aus afroamerikanischen, hispanischen und weißen Teilnehmenden zusammen. Als Kontrollgruppe dienten 180 Personen ohne Diabetes, die hinsichtlich Alter, Geschlecht und ethnischer Herkunft vergleichbar waren.
Neue Einblicke lieferte die hochauflösender Metabolomik. Mit dieser Methode lassen sich tausende kleiner Moleküle im Blut gleichzeitig analysieren. In Blutproben, die zum Studienbeginn – durchschnittlich sechs Jahre vor der Diagnose – entnommen worden waren, bestimmten Forscher die Konzentration an sieben verschiedenen PFAS. Gleichzeitig erfassten sie das sogenannte untargeted Metabolomprofil: eine Analyse von etwa 650 bekannten Stoffwechselprodukten. Alle PFAS-Konzentrationen und Signale von Metaboliten wurden in Terzile, also in drei Gruppen, eingeteilt.
Ein Anstieg der PFAS-Belastung um jeweils ein Terzil war mit einem um 31 Prozent erhöhten Risiko für die spätere Entwicklung von T2D assoziiert. Den größten Beitrag zu diesem Effekt lieferte die Substanz Perfluoroctansulfonat (PFOS). Drei Metabolite zeigten einen Zusammenhang sowohl mit der PFAS-Belastung als auch mit dem T2D-Risiko: 5-Hydroxytryptophan, Glucoheptulose und Sulfolithocholylglycin. Hinzu kommt: Sowohl die PFAS-Exposition als auch das spätere Diabetes-Risiko waren mit Veränderungen im Glutamat-Stoffwechsel, im Arginin- und Prolin-Stoffwechsel sowie im Bereich des Fremdstoffmetabolismus über Cytochrom P450 assoziiert.
Die Ergebnisse stimmen mit früheren Tier- und Humanstudien überein, in denen Forscher PFAS mit verschiedenen Veränderungen im Fett- und Zuckerstoffwechsel, hormonellen Ungleichgewichten und Entzündungsprozessen in Verbindung gebracht haben. Schon vor Jahren gab es Hinweise darauf, dass PFAS die Insulinproduktion anregen, die Funktion der Bauchspeicheldrüse beeinträchtigen und entzündliche Prozesse im Körper fördern können: alles Faktoren, welche das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöhen.
Eine der Stärken der Arbeit ist, dass afroamerikanische und hispanische Teilnehmer berücksichtigt wurden – Gruppen, die in der medizinischen Forschung häufig unterrepräsentiert sind. Zudem profitierte die Studie von modernen analytischen Methoden wie der hochauflösenden Metabolomik und der komplexen statistischen Verfahren zur Auswertung der Daten.
Zu den Schwächen zählt die relativ kleine Stichprobengröße. Auch wurden lediglich sieben PFAS-Verbindungen untersucht, obwohl es schätzungsweise mehr als 10.000 dieser Moleküle gibt. Ein weiterer methodischer Limitierungsfaktor: Da Blutproben und Metabolomdaten gleichzeitig erhoben wurden, lassen sich keine eindeutigen Rückschlüsse auf die zeitliche Abfolge der beobachteten Zusammenhänge ziehen.
Alles in allem liefert die Veröffentlichung Hinweise, wenn auch keine Kausalität, dass PFAS das Risiko für Typ-2-Diabetes über Störungen im Aminosäuren- und Medikamentenstoffwechsel erhöhen. Solche Veränderungen könnten zentrale Prozesse im Organismus beeinflussen, die langfristig zur Entstehung von Stoffwechselerkrankungen beitragen. Trotz offener methodischer Fragen ist die Zeit reif für eine strengere Regulierung von PFAS – nicht nur zum Schutz der Allgemeinbevölkerung, sondern zur gezielten Prävention bei Risikogruppen. Doch es fehlt bislang am politischen Willen, hier durchzugreifen.
PFAS und Typ-2-Diabetes: Was die Studie zeigt
Bildquelle: Blake Cheek, Unsplash