Auch wenn Magenkrebs heute deutlich seltener ist als noch vor 70 Jahren, ist die Diagnose weiterhin schwerwiegend und die Therapie kompliziert. Welchen Einfluss Kühlschränke, Gastroskopien und PPI haben, lest ihr hier.
Mediziner mögen es als bittere Ironie der Geschichte empfinden, dass der wohl größte Triumph im Kampf gegen Magenkrebs nicht ihrem nimmermüden Wirken zu verdanken ist, sondern eher so nebenbei geschah: Der Kühlschrank wurde erfunden. In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war Magenkrebs noch die mit Abstand häufigste Krebstodesursache. Konservierungsmethoden wie Pökeln, Salzen und Räuchern forderten ihren Tribut. Unser frisches Essen drängte den Magenkrebs weit zurück. Heute liegt er bei Männern mit 4 % der Krebstodesfälle an 6., bei Frauen mit 3,2 % an 7. Stelle.
Mit gut 15.000 Neuerkrankungen, 8.500 Sterbefällen, einer schlechten Prognose und keiner sinnvollen Früherkennung ist Magenkrebs aber immer noch ein großes Problem. Etwa 80 % aller Patienten haben lange Zeit keine Beschwerden, sodass die Diagnose oft erst gestellt wird, wenn der Tumor nicht mehr heilbar ist. Den aktuellen Stand der Dinge beschreibt jetzt die überarbeitete S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs“ unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.
Unter den Risikofaktoren ist vor allem eine Helicobacter-pylori-Infektion zu nennen, denn 90 % der Magenkarzinome werden ihrem Einfluss zugeschrieben. Trotzdem soll man nicht routinemäßig nach Infektionen suchen – ein Screening wäre hierzulande aufgrund der geringen und weiter zurückgehenden Verbreitung von H. pylori und der Seltenheit des Magenkarzinoms „nicht kosteneffektiv“, heißt es in der Leitlinie. Mit Kosten sind hier vermutlich ebenso die Nebenwirkungen der Eradikationstherapie gemeint, wenn die Infektion auch unbehandelt ohne Folgen geblieben wäre.
Für Risikogruppen sieht es anders aus. Ein Test auf H. pylori ist zum Beispiel dann gerechtfertigt, wenn eine Person aus einer Gegend stammt, in der das Bakterium weit verbreitet ist. Dazu gehören Asien, Osteuropa, Mittel- und Südamerika.
Jährliche Magenspiegelungen sind eine weitere Methode, Karzinome früh zu entdecken. Auch hier gilt: Wegen der geringen Prävalenz von 7–10 Magentumoren auf 100.000 Einwohner würde sich ein allgemeines Screening nicht lohnen. Zumal, wie im Kapitel zur Primärdiagnostik zu lesen ist, die Magenspiegelung Komplikationen mit sich bringen kann – auch tödliche. Eine grobe Hausnummer: Würde man alle Menschen spiegeln, kämen auf ein entdecktes Karzinom etwa zehn Schäden durch die Untersuchungen. Dennoch empfiehlt die Leitlinie, dass über 50-Jährigen eine Magenspiegelung angeboten werden kann, etwa im Rahmen eines Gesprächs über Darmkrebsvorsorge.
Ein relevantes Thema für die Hausarztpraxis sind auch die mal verharmlosten, mal verteufelten Protonenpumpeninhibitoren (PPI). Klares Statement hierzu: „Klinische Studien zeigen zwar eine Assoziation zwischen Magenkarzinomrisiko und Langzeit-PPI-Einnahme, eine Kausalität ist jedoch nicht belegt.“ Dabei wäre ein Zusammenhang durchaus plausibel. PPI erhöhen die Gastrin-Konzentration im Serum, was als Risiko für Magen- und Darmkrebs gilt. Auch führen längere PPI-Einnahmen in Verbindung mit H.-pylori-Infektionen zu mehr Entzündungen der Magenschleimhaut und die wiederum zu mehr Adenokarzinomen des Magens. Doch Langzeitstudien geben Entwarnung: So fanden sich bei operierten Refluxpatienten auch nach 12 Jahren gleich viele Krebs-Vorstufen wie bei PPI-Behandelten.
Bei der Therapie bietet nur die Entfernung des Tumors eine Chance auf Heilung. Wie viel Gewebe man vorsichtshalber wegschneiden sollte, ist nach wie vor unklar. Ist der Tumor fortgeschritten und hat bereits weit gestreut, soll nicht mehr operiert werden. Wie häufig jede Hilfe zu spät kommt, lassen auch die Kapitelgrößen erahnen: Während die Therapie auf gut 40 Seiten abgehandelt wird, kommt die Palliativversorgung auf gut 50.
Die Leitlinie haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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