Kollagen bringt nichts – sagen die einen. Kollagen heilt Gelenke – sagen die anderen. Was stimmt nun? Dieser Artikel fasst den aktuellen Forschungsstand zusammen, räumt mit gängigen Mythen auf – und zeigt, warum Kollagen eine unterschätzte Ergänzung sein kann. Gerade wer sportlich aktiv ist oder Regeneration verbessern will, sollte genauer hinschauen.
Kollagen ist mit rund 30 % das häufigste Protein im menschlichen Körper. Es bildet die strukturelle Basis für Haut, Sehnen, Knorpel, Bänder, Gefäße, Zähne und Knochen. Die zentrale Aminosäure ist Glycin – begleitet von Prolin und Hydroxyprolin.
In typischer westlicher Ernährung kommt Kollagen jedoch kaum noch vor. Bindegewebe, Haut und Knochen landen meist nicht mehr auf dem Teller. Gleichzeitig fehlen dem Körper laut biochemischen Berechnungen täglich etwa 10 g Glycin, um die Kollagensynthese vollständig aufrechtzuerhalten.
Immer wieder wird gefragt: Soll man Typ I oder Typ II Kollagen einnehmen? Antwort: Wenn ein gut hydrolysiertes Kollagenpräparat genutzt wird, ist das weitgehend irrelevant.
Kollagenhydrolysat besteht aus kurzen Peptidketten, die nicht mehr typenspezifisch sind. Diese werden im Darm aufgenommen und vom Körper – je nach Bedarf – durch Fibroblasten, Chondroblasten oder Osteoblasten zu neuem Typ I, II oder III verarbeitet.
Der Kollagentyp spielt bei der Supplementierung keine Rolle – entscheidend ist die Peptidstruktur und Bioverfügbarkeit.
Studie 1: Aussieker et al. (2025)Diese Studie untersuchte, ob 30 g Kollagenhydrolysat oder ein entsprechender Aminosäuremix nach dem Training akut die Muskel- oder Bindegewebsproteinsynthese steigert. Gemessen wurden unter anderem die Biomarker P1NP (Kollagen-Typ-I-Synthese) und CTX-I (Abbau).
Ergebnis: Weder Kollagen noch Aminosäuren führten zu einem Anstieg der akuten Syntheseraten im Muskel oder Sehnengewebe.
Allerdings war die Wahl der Marker kritisch. Nach Belastung wird primär Typ-III-Kollagen gebildet – nicht Typ I. Typ III ist für die frühe Gewebsreparatur zuständig, wurde jedoch nicht gemessen. Auch der Messzeitraum war sehr kurz gewählt. Der Kollagenturnover im Gewebe umfasst 6 bis 18 Monate. Akute Effekte sagen daher wenig über den strukturellen Nutzen aus.
Studie 2: Nulty et al. (2024)In dieser randomisierten Studie wurde gezeigt, dass Kollagenpeptide in Kombination mit Vitamin C über mehrere Wochen die Kollagensynthese und Sehnensteifigkeit signifikant erhöhen konnten. Eine Placebogruppe war vorhanden, jedoch fehlten Vergleichsarme mit Vitamin C allein oder einem anderen Protein.
Die Aussagekraft ist dadurch eingeschränkt, dennoch deuten die Ergebnisse auf eine potenziell positive strukturelle Wirkung hin – insbesondere im Bereich der Achillessehne.
Kollagen enthält kaum Leucin und kein Tryptophan. Es eignet sich nicht als klassisches Muskelaufbauprotein. Daraus zu schließen, es sei nutzlos, ist jedoch falsch.
Kollagen erfüllt eine komplementäre Aufgabe:
Es unterstützt die extrazelluläre Matrix von Sehnen, Bändern, Faszien und Gelenken.
Es enthält bioaktive Peptide mit direkter Wirkung auf zelluläre Reparaturprozesse.
Es liefert genau die Aminosäuren, die in klassischen Proteinquellen kaum vorkommen.
Eine Studie von Zdzieblik et al. (2015) zeigte bei älteren Männern mit Sarkopenie:
15 g Kollagenpeptide in Kombination mit Krafttraining führten zu deutlich mehr Muskelmasse- und Kraftzuwachs als Training allein – und zwar stärker als in vielen vergleichbaren Whey-Studien.
Dieser Mythos ist weit verbreitet und wird bei Google häufig so dargestellt. Doch er ist wissenschaftlich nicht haltbar.
Richtig ist: Kollagen besteht wie andere Proteine aus Aminosäuren. Aber:
Normale Proteinquellen liefern zwar ausreichend Prolin – aber kaum Glycin.
Der Körper kann Glycin zwar synthetisieren – aber nicht in ausreichender Menge.
Die typische Versorgungslücke liegt bei rund 10 g Glycin pro Tag.
Die Aminosäurenprofile von Whey, Fleisch oder pflanzlichem Eiweiß decken den Bedarf für strukturelle Proteine des Bindegewebes nicht vollständig. Das gilt insbesondere in Phasen erhöhter Belastung, Heilung oder im Alter.
Viel Protein ersetzt also nicht automatisch gezielte Kollagenzufuhr.
Bioaktive Kollagenpeptide (Hydrolysat): 10–20 g täglich, bestenfalls vor oder nach Bewegung
Kombination mit Vitamin C, Glycin oder Citrullin: Kann die Wirkung weiter steigern
Bewegung: Reiz für die Kollagensynthese entsteht primär durch mechanische Belastung
Dauer: Erste strukturelle Effekte zeigen sich meist nach mehreren Wochen
Kollagen ist mehr als Glycin: Bioaktive Peptidstrukturen haben eigene Funktionen
Kollagenhydrolysat ≠ Gelatine: Die Hydrolyse verbessert Bioverfügbarkeit und Peptidstruktur.
Veganes Kollagen: Meist nur synthetische Aminosäuremischungen – ohne Peptidwirkung.
Typ II besser für Gelenke? Im Supplement nicht relevant – der Körper baut das, was er braucht
Kollagen ist kein Wundermittel – aber auch keine leere Versprechung. Viele Aussagen wie „Kollagen wirkt nicht“ beruhen auf Missverständnissen in der Studienauswahl oder unrealistischen Erwartungen. Hochwertige Daten belegen: Wer körperlich aktiv ist, profitiert von Kollagen – besonders im Bereich Bindegewebe, Regeneration und Belastbarkeit.
Ein Kollagen-Drink ersetzt kein Whey – aber ergänzt es sinnvoll. Die entscheidende Frage lautet nicht, ob Kollagen besser ist als andere Proteine, sondern: Ob es die einzige Proteinquelle ist, die gezielt das versorgt, was viele am dringendsten brauchen – das Bindegewebe.
Aussieker et al. (2025). Collagen peptides vs. amino acids after exercise – Biomarker analysis of acute responses. Preprint.
Nulty et al. (2024). Effects of collagen peptide supplementation on Achilles tendon stiffness and collagen synthesis. J Sports Sci.
Liang et al. (2024). Collagen for osteoarthritis – a meta-analysis of efficacy and safety. Nutrients.
Zdzieblik D. et al. (2015). Collagen peptide supplementation in combination with resistance training improves body composition and increases muscle strength in elderly sarcopenic men. Br J Nutr 114(8):1237–1245.