Kürzlich infizierte sich in Frankreich ein Mensch mit dem Chikungunya-Virus – ohne vorherige Reise. Wird die Erkrankung bald auch in Deutschland zur Bedrohung? Was ihr wissen müsst.
Im französischen Elsass wurde kürzlich der erste Fall eines autochtonen – also lokal erworbenen – Chikungunya-Fiebers gemeldet. Aus diesem Anlass diskutierten am 15. Juli 2025 Experten aus Epidemiologie, Tropenmedizin und Entomologie bei einem interdisziplinären Pressbriefing des Science Media Centers (SMC) die Bedeutung solcher Ausbrüche für Deutschland. Dabei wurde klar, dass Tropenkrankheiten wie Chikungunya, Dengue und Malaria künftig verstärkt auch in Zentraleuropa auftreten könnten und sich damit direkt auf die ärztliche Praxis auswirken.
Bisher sind in Deutschland 75 ausschließlich reiseassoziierte Chikungunya-Virus-Infektionen registriert. Laut den Experten steigt das Infektionsrisiko durch den Klimawandel in Europa. Erhöhte Temperaturen schaffen günstigere Bedingungen für das Wachstum von Mückenpopulationen, insbesondere für invasive Arten wie die Asiatische Tigermücke, die sich in den letzten Jahren auch in Deutschland etablieren konnte. Wärme begünstigt nicht nur die Vermehrung von Mücken, sondern beschleunigt auch die Replikation der Viren in Mücken, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung deutlich zunimmt.
In Deutschland liegt bislang keine autochthone Infektion vor, also keine Übertragung, die im Inland ohne vorherige Auslandsreise erfolgt ist. Sollte dies erstmals auftreten, spricht das für eine lokale Viruszirkulation mit entsprechender epidemiologischer Relevanz. In einem solchen Fall würden zunächst die zuständigen Gesundheitsämter aktiv werden. Aus ärztlicher Sicht stellt sich aber auch die Frage: Wie gut ist die Primärversorgung auf so einen Fall vorbereitet?
In der hausärztlichen Praxis ist die Diagnose tropenmedizinischer Infektionskrankheiten ohne klare Reiseanamnese und bei unspezifischen Symptomen eine Herausforderung. Das Wissen über diese Krankheitsbilder ist außerhalb spezialisierter Zentren häufig begrenzt. Deshalb ist es essenziell – auch bei zunächst unklaren Symptomen – Aspekte wie Mückenvorkommen in der Umgebung oder ungeklärte Fieberhäufungen in die Anamnese einzubeziehen. Zudem sollte bei Verdacht frühzeitig eine entsprechende Labordiagnostik eingeleitet werden.
Für Reisende in Risikogebiete besteht die Möglichkeit einer Impfung gegen das Chikungunya-Virus. Aktuell sind zwei Impfstoffe in Europa zugelassen: ein Totimpfstoff und ein Lebendimpfstoff. Derzeit wird nur der Totimpfstoff eingesetzt, da er eine bessere Verträglichkeit zeigt und bislang keine starken Nebenwirkungen bekannt sind. Kinder ab 12 Jahren dürfen aktuell mit dem Totimpfstoff geimpft werden, eine Zulassung für jüngere Altersgruppen wird in naher Zukunft erwartet.
Eine spezifische Therapie gegen Chikungunya oder Dengue existiert bislang nicht. Zwar wird für Deutschland nicht mit einer hohen Belastung gerechnet, doch fehlen auch hierzulande finanzielle und strukturelle Ressourcen für die breite tropenmedizinische Versorgung. Umso wichtiger sind präventive Maßnahmen.
Die präventive Tötung oder Reduktion von fliegenden Insekten ist gesetzlich nur dann zulässig, wenn eine dokumentierte direkte Krankheitsübertragung vorliegt. In solchen Fällen sind Sondergenehmigungen erforderlich. Larven dürfen hingegen direkt entfernt werden. Zusätzlich kann auch die Bevölkerung vorbeugend aktiv werden, indem sie potenzielle Brutstätten wie stehende Gewässer im privaten Umfeld vermeidet.
Noch ist Chikungunya in Deutschland ein seltenes Ereignis, wird aber in Zukunft langsam an Relevanz gewinnen. Deshalb sollten sowohl Ärzte als auch die breite Bevölkerung ihre Aufmerksamkeit auf die zunehmende Bedeutung tropischer Infektionskrankheiten lenken. Das umfasst nicht nur eine gezielte Reiseprophylaxe z. B. durch Mosquito-/Insektenschutzsprays, sondern auch eine Sensibilisierung für die globale Dimension solcher Erkrankungen. Tropenkrankheiten sind keine reinen Reisethemen mehr – sondern Teil einer globalen medizinischen Verantwortung. Sie sollten als globales Thema verstanden werden, das gemeinsame Aufmerksamkeit und Zusammenarbeit erfordert.
Bildquelle: Midjourney