Da klingeln die Kassen: Injektionen lassen sich schnell und einfach durchführen. Kein Wunder also, dass immer mehr Fachärzte Botox-Behandlungen anbieten. Eine Win-win-Situation – oder?
Die Faltenbehandlung mit Botulinumtoxin A (Botox) ist ein ästhetischer Eingriff mit vergleichsweise geringem Aufwand – und deshalb in der Bevölkerung äußerst gefragt. Folglich bieten immer mehr ärztliche Praxen Botox-Injektionen an. Aufgrund hoher Margen bei effizientem Ressourceneinsatz hat sich die Botox-Behandlung in den vergangenen Jahren als attraktive zusätzliche Einnahmequelle etabliert, unabhängig von der medizinischen Fachrichtung. Neben Dermatologen integrieren auch Fachärzte für Allgemeinmedizin, Urologie oder Gynäkologie Botox-Behandlungen in ihr Leistungsspektrum.
Bei Preisen von circa 200 bis 600 Euro pro Sitzung ist der finanzielle Reiz leicht nachvollziehbar. Selbst wenige Behandlungen pro Woche können ein beachtliches Zusatzeinkommen generieren. Die starke Nachfrage in der Bevölkerung sowie der geringe organisatorische und medizinische Aufwand ermöglichen es einigen Praxen, Termine im 10-Minuten-Takt zu vergeben. Besonders die Wiederholbarkeit der Behandlungen im Abstand von drei bis sechs Monaten macht dieses Modell auf lange Sicht attraktiv insbesondere, wenn es durch gezieltes Marketing und strukturierte Patientenbindung unterstützt wird.
Der Einstieg in die ästhetische Botox-Behandlung gestaltet sich heute besonders einfach. Zahlreiche zertifizierte Fortbildungen, sowohl in Präsenz als auch online, werden von einer Vielzahl an Anbietern angeboten. Die Zahl dieser Schulungen nimmt kontinuierlich zu und deckt inzwischen ein breites Spektrum ab. Obwohl die Teilnahme mit hohen Kosten verbundenist, zahlt sich die Investition in der Regel bereits nach den ersten Behandlungenwirtschaftlich aus.
Doch mit der steigenden Kommerzialisierung wächst auch die Verantwortung. Auch wenn Botox-Injektionen „nebenbei" durchgeführt werden kann, bleibt es ein medizinischer Eingriff; nicht umsonst gibt es eine offizielle Leitlinie. Immer häufiger berichten Medien von sogenannten Botox-Partys im privaten Rahmen, bei denen medizinische Standards und Hygienevorgaben fraglich sind. Das Vertrauen in die ärztliche Ästhetik wird dadurch zunehmend belastet. Und nicht nur das: In vielen dieser Fälle handelt es sich um sogenannte „Bar-Behandlungen“, die nicht dokumentiert oder korrekt abgerechnet werden und somit auch steuerrechtlich problematisch sein können.
Ein Arzt, der in einem SWR-Report über seine Botox-Tätigkeit spricht, bringt es auf den Punkt: "Ich war bis dahin Arzt und dann wurde ich zum Verkäufer – ich musste ein Produkt verkaufen ." Ein Satz, der zum Nachdenken anregen sollte. Denn mit jeder Erweiterung des Leistungsspektrums stellt sich auch die Frage: Wieviel Medizin und wieviel Markt stecken im eigenen Praxisalltag?
Wichtig für Ärzte ist es daher, in diesem wachsenden Bereich auf einige zentrale Punkte besonders zu achten. Die Grundvoraussetzung, um Botox injizieren zu dürfen, ist die deutsche Approbation. Darüber hinaus sollte aus der Vielzahl an Fortbildungsangeboten ein qualitativ hochwertiger, fundierter Kurs gewählt werden, idealerweise mit praktischem Anteil. Zwar sind Aufwand und Kosten entsprechend höher, doch sie führen zu einer fundierten Ausbildung und einer höheren Qualität der Arbeit in der Praxis.
Auch rechtlich gilt es klare Standards einzuhalten. Nur approbierte Ärzte dürfen überhaupt Botox verabreichen. Jeder Eingriff muss von Anfang bis Ende lückenlos dokumentiert werden. Vor jeder Behandlung sollte eine Beratung und eine Fotodokumentation des Patienten durchgeführt werden. Außerdem muss eine standardisierte und transparente Aufklärung durch den behandelnden Arzt über Ablauf, Risiken und zu erwartende Ergebnisse der Behandlung erfolgt und in einer schriftlichen Einverständniserklärung unterschrieben worden sein.
Nicht zuletzt spielt der ethische Aspekt eine zentrale Rolle: Die ästhetische Medizin ist kein „schneller Nebenverdienst“, sondern erfordert dieselbe Sorgfalt, Qualitätskontrolle und Patientenorientierung wie jeder andere medizinische Eingriff. Wer langfristig erfolgreich sein will, sollte den Menschen hinter der Behandlung nie aus dem Blick verlieren. Botox kann eine sinnvolle und wirtschaftlich attraktive Ergänzung des Praxisportfolios sein – aber nur, wenn Ärzte sich bewusst machen, dass sie keine Falten, sondern Menschen behandeln. Der wirtschaftliche Reiz darf nicht dazu führen, medizinische Standards, Aufklärung oder Hygiene zu vernachlässigen.
Die ästhetische Botox-Behandlung hat sich als wirtschaftlich attraktives Zusatzangebot etabliert und wird zunehmend zum festen Bestandteil ärztlicher Praxisleistungen. Trotz aller Chancen sollte der rechtliche und medizinische Rahmen stets gewahrt bleiben, um die Seriösität und Sicherheit der Angebote zu gewährleisten.
AWMF-Leitlinie: S1-Leitlinie Ästhetische Botulinumtoxin-Therapie Botox-Business – Undercover bei illegalen Beauty-Docs, SWR, 2025. online
Bildquelle: Mathieu Stern, Unsplash