Die androgenetische Alopezie ist häufig psychisch belastend. Aber es gibt gute Nachrichten für eure Patienten: Die Pipeline ist voll mit neuen Therapie-Kandidaten. Ein Überblick.
Auf der diesjährigen Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft wurde deutlich: Die Forschung rund um androgenetische Alopezie hat Fahrt aufgenommen. Topische Androgenrezeptor-Hemmer, innovative Finasterid-Darreichungsformen und Prostaglandin-Analoga eröffnen neue Möglichkeiten für Patienten mit hormonell bedingtem Haarausfall. Doch während neue Präparate Hoffnung machen, sorgt ein altbekannter Wirkstoff erneut für Diskussion: Finasterid steht nach einer Bewertung der EMA wegen möglicher suizidaler Nebenwirkungen in der Kritik.
Die androgenetische Alopezie (AGA) zählt zu den häufigsten Ursachen von Haarverlust bei Männern und Frauen. Charakteristisch ist ein progressiver Verlust der Terminalhaare auf der Kopfhaut, ausgelöst durch genetische Prädisposition und hormonelle Einflüsse. Die Hauptursache der AGA ist eine erhöhte Empfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber Dihydrotestosteron (DHT), einem potenten Metaboliten von Testosteron. DHT bindet an die Androgenrezeptoren der Haarfollikel und führt zu einer verkürzten Wachstumsphase (Anagenphase) und verlängerten Ruhephase (Telogenphase). Die Folge ist eine schrittweise Miniaturisierung der Haarfollikel, bis diese letztlich keine Terminalhaare mehr produzieren.
Die genetische Variation im Androgenrezeptor-Gen ist die Hauptdeterminante der früh einsetzenden AGA, wobei ein Polyglycin-kodierender GGN-Repeat im Exon 1 möglicherweise eine funktionelle Rolle spielt. Zudem handelt es sich bei der AGA um eine polygene Erkrankung, bei der Hauptrisikoloci auf dem X-Chromosom (AREDA2R) und auf Chromosom 20p11 identifiziert wurden. Zusätzlich wurden vier genetische Risikoloci identifiziert, bei denen insbesondere WNT10A eine wichtige funktionelle Rolle in der Pathogenese spielt.
Weitere Einflüsse können Entzündungen der Kopfhaut und extrinsische Faktoren wie Lebensstil sein, welche die Erkrankung verschlimmern (hier und hier nachzulesen). Bei Frauen ist die Rolle der Androgene weniger eindeutig; nur ein Drittel zeigt erhöhte Androgenspiegel. Erkrankungen wie PCOS können eine Rolle spielen.
Diagnostisch basiert die AGA auf klinischen Befunden, insbesondere dem charakteristischen Verteilungsmuster des Haarausfalls. Bei Männern entsteht typischerweise eine Stirnglatze („Geheimratsecken“) und Tonsurglatze. Bei Frauen zeigt sich meist eine diffuse Ausdünnung des Haarvolumens am Scheitel, wobei der vordere Haaransatz oft erhalten bleibt.
Zur Therapie würde an dieser Stelle normalerweise auf die aktuelle S3 Leitlinie verlinkt, diese ist allerdings 2020 abgelaufen und befindet sich derzeit in der Überarbeitung.
Therapeutisch stehen mehrere Optionen zur Verfügung:
Jüngste molekularbiologische und genetische Erkenntnisse ermöglichen außerdem zunehmend gezielte therapeutische Ansätze und eröffnen neue Perspektiven in der Behandlung der androgenetischen Alopezie.
Aktuelle Forschungsarbeiten eröffnen vielversprechende, neue Therapieansätze:
Ärzte sollten Patienten, die Finasterid einnehmen, auf mögliche psychische Nebenwirkungen, insbesondere suizidale Gedanken unter einer Finasterid-, bzw. Dutasterid-Therapie, aufmerksam machen. Bereits seit Jahren ist das Risiko bekannt, ganz besonders bei Männern unter 45 Jahren, die das Medikament gegen Haarausfall einnehmen. Das Risiko für suizidale Gedanken ist bei Finasterid-Anwendern deutlich höher als bei Nicht-Anwendern (z. B. 21–24 % vs. 2–14 %). Besonders gefährdet sind Männer, die nach Absetzen von Finasterid unter anhaltenden sexuellen Funktionsstörungen leiden.
Bei Auftreten von depressiven Verstimmungen oder anderen affektiven Störungen sollte die Therapie sofort pausiert und eine fachärztliche Abklärung veranlasst werden, wie von der EMA empfohlen.
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