Auf Tiktok und Instagram berichten immer mehr Frauen, sie seien dank der Abnehmspritze endlich schwanger geworden. Gibt es wirklich einen Zusammenhang?
Ihre Video-Botschaften häuften sich in den sozialen Medien: Frauen, die unter einer Behandlung mit GLP1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid endlich schwanger wurden – die Geburtsstunde des Begriffs „Ozempic-Babies“. Doch wie kommt es zu den unverhofften Schwangerschaften und ist an dem Phänomen tatsächlich etwas dran?
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Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) erklärt Dr. Katharina Laubner, Stellvertretende Leiterin der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg den Mechanismus hinter dieser Häufung. Adipositas und Typ-2-Diabetes mellitus (T2DM) gelten nicht nur als klassische metabolische Risikofaktoren – sie beeinträchtigen auch nachweislich die reproduktive Gesundheit beider Geschlechter. Insbesondere bei Frauen können Übergewicht, Adipositas und T2DM über eine verstärkte Insulinresistenz zur Entwicklung eines polyzystischen Ovarialsyndroms (PCOS) führen. Die Folgen: Zyklusstörungen, chronische Anovulation und eine reduzierte Fertilität.
Wie Dr. Laubner erklärt, kann schon eine moderate Gewichtsreduktion von 5 bis 10 % – etwa durch Lebensstilinterventionen – die Ovulation normalisieren und zu regelmäßigeren Menstruationszyklen führen. Noch deutlicher ist der Effekt nach bariatrischen Eingriffen: Hier geht aus Studien eine rasche Reversibilität der Amenorrhoe und eine gesteigerte Fertilität bei adipösen Patientinnen hervor. Ein Gewichtsverlust unter Semaglutid hat einen vergleichbaren Effekt.
Kann es aber schädlich sein, unter einer solchen Therapie schwanger zu werden? Es gibt zwei Registeranalysen aus dem Jahr 2024 (hier und hier), die erste Hinweise zur Sicherheit von GLP-1-Rezeptoragonisten in der Frühschwangerschaft liefern. Hier konnte weder ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen noch für Spontanaborte oder intrauterinen Tod nachgewiesen werden. Die bisherigen Daten – unter anderem aus Israel, Skandinavien und deutschen Teratologiezentren – deuten darauf hin, dass GLP1-RA nicht teratogen wirken. Ein plazentarer Übertritt scheint aufgrund der hohen Molekülmasse ebenfalls unwahrscheinlich, belastbare Aussagen zur Anwendung im zweiten und dritten Trimenon fehlen allerdings bislang.
Dr. Laubner rät deshalb auch dazu, eine Behandlung mit GLP1-RA abzusetzen, wenn die Frau schwanger ist. Dabei bleibt aber unklar, wie sich ein Therapieabbruch bei Schwangerschaftseintritt auf die Gewichtsentwicklung und den Schwangerschaftsverlauf auswirkt. Ein Rebound-Effekt mit übermäßiger Gewichtszunahme könnte sich ungünstig auf fetale Entwicklung, Frühgeburtenrisiko oder mütterliche Komplikationen auswirken.
Eine weitere Hypothese, die in den Medien kursiert, ist eine herabgesetzte Wirksamkeit von oralen Verhütungsmitteln durch z. B. die verzögerte Magenentleerung unter GLP1-RA oder andere Nebenwirkungen der Therapie, die sich auf die Verdauung auswirken. Die Expertin sieht diesen Effekt als eher untergeordnet: Die Daten würden zeigen, dass die Wirkspiegel zwar etwas niedriger sein können, was aber klinisch nicht relevant zu sein scheint.
In der Pressekonferenz kommt die Frage auf, ob man Frauen mit Kinderwunsch und PCO-Syndrom Semaglutid empfehlen könne. Hier gebe es nur wenige Fallberichte, in denen die Therapie einen positiven Einfluss – auch auf eine IVF (In-vitro-Fertilisation) – hatte. Generelle Empfehlungen könne man hier aber noch nicht ableiten, so die Ärztin. Bei einem BMI von 25 müsse die Patientin die Kosten hierfür auch selbst zahlen, da es sich um eine Off-Label-Therapie handele. Ab einem BMI von über 27 könne man es in der Praxis aber in Einzelfällen durchaus als Alternative zu einer bariatrischen Operation einsetzen.
Dr. Laubner empfiehlt Ärzten, Frauen im gebärfähigen Alter über den Einfluss der Inkretintherapie auf die Fertilität aufzuklären und sie zu einer sicheren Kontrazeption zu beraten. Bei Kinderwunsch sollten GLP1-RA zwei bis drei Monate vor der (geplanten) Konzeption abgesetzt werden – je nach Wirkstoffhalbwertszeit. Von einer Therapie während der Schwangerschaft rät sie ab. Im Fall einer Exposition sollte eine Meldung an das Pharmakovigilanzzentrum Embryotox erfolgen, um die Datenbasis für künftige Empfehlungen zu verbessern.
Quellen:
Narula et al.: Obesity, insulin resistance and fertility: unresolved questions and emerging insights. Curr Opin Endocrinol Diabetes Obes, 2025. doi: 10.1097/MED.0000000000000907.
Nauck et al.: GLP-1 receptor agonists in the treatment of type 2 diabetes – state-of-the-art. Mol Metab, 2021. doi: 10.1016/j.molmet.2020.101102.
Dao et al.: Use of GLP1 receptor agonists in early pregnancy and reproductive safety: a multicentre, observational, prospective cohort study based on the databases of six Teratology Information Services. BMJ Open, 2024. doi: 10.1136/bmjopen-2023-083550
Cesta et al.: Safety of GLP-1 Receptor Agonists and Other Second-Line Antidiabetics in Early Pregnancy. JAMA Intern. Med, 2024. doi: 10.1001/jamainternmed.2023.6663
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