Stellt sich ein Patient mit einer Platzwunde vor, wird häufig das Röntgengerät angeschmissen. Dabei zeigt sich jetzt: Blindes Draufhalten bringt’s nicht. Wann ein Bild angebracht ist, lest ihr hier.
Bei der Versorgung von Patienten mit Platzwunden wird in vielen Fällen eine Röntgenaufnahme angefordert – nicht immer mit einer klaren Indikation und Fragestellung. In einer retrospektiven Querschnittsstudie zweier Notaufnahmen in Sydney wurden nun Daten von insgesamt 869 Patienten mit Platzwunden ausgewertet, bei denen eine Röntgenaufnahme angefordert wurde, um eine Fraktur oder einen Fremdkörper im Wundbereich auszuschließen.
Nur in 10 % aller Fälle ergaben sich dabei neue, therapierelevante Befunde wie Frakturen, Fremdkörper oder Läsionen an Sehnen und Bändern. Weitere 7 % der Aufnahmen zeigten unspezifische oder verdächtige Veränderungen ohne klaren diagnostischen Nutzen. In 83 % der Untersuchungen brachte das Röntgen weder zusätzliche noch bisher unerkannte Informationen – abgesehen von bereits klinisch erfassten Weichteilschwellungen oder degenerativen Veränderungen wie Arthrose.
Von 275 Fällen mit explizitem Frakturverdacht bestätigte sich der Verdacht in lediglich 7 % der Aufnahmen. Die Nachweisrate für Fremdkörper lag mit 3 % ebenfalls sehr niedrig, was die begrenzte Sensitivität der konventionellen Röntgentechnik bei nicht röntgendichten Materialien wie Holz oder Kunststoff unterstreicht. Ein erhöhter diagnostischer Ertrag von 17 % zeigte sich nur bei klar definierten traumatischen Mechanismen wie Quetschverletzungen – jedoch ohne statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Verletzungsart und Bildbefund.
Mehr als zwei Drittel aller Platzwunden betrafen die obere Extremität, insbesondere Finger und Hände. Trotz dieser Häufung blieb der Mehrwert routinemäßiger Radiografien in diesem Bereich gering. Fast die Hälfte der Anforderungsscheine enthielt keine konkrete klinische Fragestellung, in über einem Drittel fehlte eine Beschreibung des Unfallmechanismus. Dies verweist auf Defizite in der klinischen Vorabklärung und in der Kommunikation zwischen Notfallärzten, Unfallchirurgen und Radiologen.
Aus den erhobenen Daten kann man folgende Schlussfolgerungen ziehen:
Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass reflexartige Röntgenaufnahmen bei Platzwunden in den meisten Fällen keinen Mehrwert bieten. Eine fundierte Anamnese und gründliche klinische Untersuchung sollten maßgeblich über die Bildgebung entscheiden. So lassen sich Strahlenbelastung reduzieren, Ressourcen schonen und eine patientenzentrierte, evidenzbasierte Versorgung sicherstellen.
Bildquelle: Midjourney