Wer im Internet aus dem Rettungsberuf berichtet, ist Selbstdarsteller – oder Lügner. Ein Erfahrungsbericht über Hasskommentare, Missverständnisse und die Frage, warum Offenheit im Gesundheitswesen nicht gern gesehen ist.
Ich bin Notfallsanitäter. Aber ich bin auch ein Mensch. Ich schreibe und erzähle aus meinem Berufsalltag; manchmal sind es kleine Geschichten mit großen Fragen, manchmal große Fehler mit schmerzhaften Konsequenzen. Eins haben sie alle gemeinsam: Sie sind echt. Ich habe sie aufgeschrieben, damit wir lernen. Ich schreibe, weil ich täglich Dinge erlebe, die sich nicht in Algorithmen pressen lassen. Ich arbeite an den Bruchkanten unserer Gesellschaft, wo Leben kippt, Sekunden zählen und manchmal ein einziger Blick alles sagt. Kurz gesagt: Ich mache sichtbar, was im Verborgenen geschieht.
Dabei versuche ich, die Stimmung, Eindrücke und das Unsagbare in bildreicher Sprache zu transportieren. Meine Schreibe ist wie meine Sprache: Sie ist so, wie es sich anfühlt, wenn man mitten in der Nacht mit dem Tod verhandelt. Meistens schreibe ich nicht, weil ich alles richtig gemacht habe. Ich schreibe, weil ich Fehler gemacht habe – und weil ich möchte, dass andere sie nicht wiederholen. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, bekomme ich Gegenwind: Hass, Diffamierungen und Unterstellungen.
Sie sind nicht die Regel, aber sie zeigen eine bedenkliche Tendenz:
„Es ist unerträglich, wie sich hier immer wieder Mitarbeiter aus dem medizinischen Sektor zu Helden stilisieren, nur um ihre narzisstische Persönlichkeitsstörung zu befriedigen.“ „[…] erfundene Stories von angeblichen Rettungshelden […]“ „Was für ein Unfug. Weinerliches Geschreibsel über erfundene Gewissenskonflikte.“ „Wirf ein paar Antidepressiva ein und mach den Job, für den du bezahlt wirst, statt uns mit diesem Unfug in den Ohren zu liegen. […] Du bist eine klare Fehlbesetzung in deinem Job.“ „Diese reißerischen und mit viel Fantasie aufgeschäumten Stories ein und desselben Autors sind wirklich kaum erträglich“ „So ein unqualifiziertes Geblubber ist für mich nach 37 Jahren Rettungsdienst (auf beiden Seiten) wirklich unzumutbar.“ „Eigentlich hatte ich einen fachlichen Artikel erwartet […]“
„Es ist unerträglich, wie sich hier immer wieder Mitarbeiter aus dem medizinischen Sektor zu Helden stilisieren, nur um ihre narzisstische Persönlichkeitsstörung zu befriedigen.“
„[…] erfundene Stories von angeblichen Rettungshelden […]“ „Was für ein Unfug. Weinerliches Geschreibsel über erfundene Gewissenskonflikte.“
„Wirf ein paar Antidepressiva ein und mach den Job, für den du bezahlt wirst, statt uns mit diesem Unfug in den Ohren zu liegen. […] Du bist eine klare Fehlbesetzung in deinem Job.“
„Diese reißerischen und mit viel Fantasie aufgeschäumten Stories ein und desselben Autors sind wirklich kaum erträglich“
„So ein unqualifiziertes Geblubber ist für mich nach 37 Jahren Rettungsdienst (auf beiden Seiten) wirklich unzumutbar.“
„Eigentlich hatte ich einen fachlichen Artikel erwartet […]“
Ich könnte weitermachen, aber ich möchte nicht jammern. Ich möchte zeigen. Viele der Angriffe speisen sich aus einem simplen Missverständnis: Die Lesenden verwechseln subjektive, persönliche Berichte mit den erwarteten objektiven Fachartikeln. DocCheck ist aber eine Plattform, die beides erlaubt – wissenschaftlichen Diskurs und individuelle Perspektiven.
Meine Blogbeiträge sind klar als solche gekennzeichnet und erheben keinerlei Anspruch auf wissenschaftliche Beweisbarkeit. Er ist vielmehr ein Erfahrungsraum, quasi ein Ort, an dem das, was wir im Rettungsdienst, in einer Notaufnahme oder in der Arztpraxis erleben, Worte finden darf. Oft sind diese Worte emotional, manchmal drastisch, selten objektiv – aber immer ehrlich.
Das nächste Missverständnis ist die Tatsache, dass Artikel nicht korrekt gelesen, aber sofort nach der ersten Zeile abgeurteilt werden, wie zuletzt im Artikel „Nazi auf meiner Trage“ geschehen. Es ging um die Abläufe in meinem Kopf – nicht darum, was genau am Einsatz an medizinischen Maßnahmen durchgeführt wurde. Man unterstellte mir unfassbar oft, ich hätte den Mann nicht korrekt versorgt, was jeglicher Grundlage entbehrt. Auch unterstellte mir ein Lesender, der Mann sei mit 80 Jahren zu jung, um Nazi zu sein. Was aber, wenn sich der Einsatz im Jahr 2000 ereignet hat? Ein nächster behauptete, meine Ansichten und meine Einstellung seien grün und ich hätte mir ausschließlich deshalb einen Nazi als Protagonisten herausgesucht. Die Frage ist: Was ist falsch daran, in einem Blog Rechtsextremismus in seiner reinsten Form zu verurteilen?
Wenn ich über eine „Tödliche Verwechslung“ eines Medikaments erzähle, dann mache ich dies nicht, weil ich unbedingt eine reißerische Geschichte brauche. Ich mache es, weil es um Menschenleben geht und weil ich weiß, wie schnell kleine Unachtsamkeiten zu großen Tragödien führen können. Und weil ich will, dass du – der das gerade liest – das im Kopf hast, wenn du in der nächsten Nachtschicht um drei Uhr morgens ein Medikament aufziehst.
Ich kenne RTW-Besatzungen, bei denen alles unter Kontrolle scheint. Bis man hinter die Kulissen blickt und merkt, dass Kontrolle nur ein anderes Wort für Angst ist. Diese Angst ist aber gefährlich, denn sie verhindert, dass wir dazulernen. Sie verhindert auch, dass wir offen über Schwachstellen sprechen und dass wir Strukturen hinterfragen, bevor sie Menschen gefährden. Wer offen über Fehler spricht, riskiert seine Reputation. Wer schweigt, riskiert das nächste Menschenleben.
Ich habe mich daher für die Offenheit entschieden, denn jeder, der im Rettungsdienst arbeitet, weiß: Manchmal laufen die Schichten alles andere als perfekt. Es gibt Entscheidungen, die man rückblickend anders getroffen hätte. Es gibt SOPs, die nicht funktionieren, Patienten, die nicht ins Schema passen und Momente, in denen die Intuition entscheidet – weil der Algorithmus versagt. Darüber zu schreiben, sehe ich nicht als Schwäche, sondern als ein Beitrag zur Patientensicherheit. Wird dadurch nur ein einziger Fehler vermieden, dann war es das wert.
Wird aber medizinisches Fachpersonal auf Plattformen wie DocCheck angegriffen, weil es offen schreibt, verlieren wir eine große Chance auf Erfahrungswissen, Reflexion und Austausch. Ich für meinen Teil werde weiterschreiben. Nicht, um zu provozieren, sondern weil hinter jeder Zeile ein Mensch steht – mit Verantwortung, mit Zweifeln, vor allem aber mit dem Wunsch, es besser zu machen.
Bildquelle: Priscilla Du Preez, Unsplash