Jürgen hat da mal so einen Test gemacht. Sein Arginin ist erhöht und er deswegen immer so müde, erzählt er stolz in der Sprechstunde. Ihm reicht es nicht mehr, Symptome zu googlen – jetzt werden Proben verschickt. Kennt ihr diese Patienten auch?
Wem Dr. Google nicht invasiv genug ist, der lässt sich gerne mal auf einen der vielen lustigen Tests ein, die online so angeboten werden. Nur, um das klarzustellen: Wir sprechen hier nicht von sicher problematischer, aber noch vergleichsweise harmloser Clickbait wie „Bist du Autist? Finde es in 3 Minuten heraus“ oder „Migräne erkennen mit 10 einfachen Fragen“. Hier geht’s ans Eingemachte, da werden munter Blut-, Urin- und Stuhlproben verschickt.
Reddit-User Doafit machte seinem Ärger dazu kürzlich Luft: „Hört auf, euer Blut, Speichel, Haare, Scheiße oder Urin einzuschicken. Diese Selbstoptimierungscheiße und Pathologisierung von allem Möglichen geht mir so auf die Eier!“, schreibt er. Er nennt einige konkrete Beispiele, die nach leidvoller Praxiserfahrung klingen:
In Sabines Fall hakt einer der zahlreichen Kommentatoren unter dem Beitrag ein: „Hier könnte es verdammt helfen, wenn Beschwerden der Perimenopause und Menopause ernst genommen und mit den ja nun auch verfügbaren Hormonersatztherapien behandelt werden würden. Dadurch, dass dies nicht [passiert] und auch nicht behandelt wird (so wie bis vor Kurzem Endometriose), werden Frauen mittleren Alters halt auch gezielt aus der normalen Medizin gedrängt. Der Leidensdruck ist groß […].“
Und damit haben wir dann auch das eigentlich ernste Problem, was hinter den unterhaltsamen Testeskapaden steckt: alleingelassene Patienten. Natürlich landen wir so bei der sprechenden Medizin – und der Henne-Ei-Frage. Denn Ärzte bekommen den Zeitaufwand schlichter Zuwendung zwar nicht vergütet, Patienten wollen umgekehrt aber oft gar keine Lifestyle-Intervention (Seitenblick auf Jürgen und seine 30 Pack Years), sondern nur die schnelle Pille/Spritze/AU. Das Ergebnis: Ob nun mangels Alternativen oder aus Bequemlichkeit wird mal was in den Äther geschickt.
Und das vermeintlich klärende Testergebnis lassen die Anbieter sich was kosten. Doafit führt seinen Rant fort: „Diese Skrupellosigkeit, Leuten 300 Euro aus der Tasche zu ziehen, keine Diagnosen oder Bewertungen zu machen, sondern nur ‚könnte, müsste, ist assoziiert mit‘ zu sagen. So, dass die Patienten danach keinen Deut schlauer sind und ich sie dann 30 Minuten lang beruhigen muss.“ Tatsächlich schlagen selbst die günstigsten dieser Selbsttests mit gut 50 Euro zu Buche – für das ausführliche Aminogramm werden dann über 300 Euro aufgerufen.
Anm. d. Red.: Die Zitate von Reddit wurden zur besseren Lesbarkeit orthografisch angepasst.
Bildquelle: Midjourney