Immer mehr Betriebe in Großbritannien und den USA kämpfen mit Ausbrüchen der aviären Influenza. Die Vereinigten Staaten reagieren jetzt unerwartet mit Plänen für eine Impfoffensive. Warum sich das auf die Wirtschaft auswirken könnte.
Großbritannien meldet weiterhin zahlreiche Ausbrüche der hochpathogenen aviären Influenza (HPAI), die sowohl Wildvögel als auch Hausgeflügel betreffen. Wie das britische Landwirtschaftsministerium mitteilt, wurde kürzlich ein neuer Ausbruch auf einem Legehennenbetrieb in der Grafschaft Yorkshire bestätigt. Auf dem betroffenen Hof waren rund 75.000 Tiere untergebracht – sie mussten vollständig gekeult werden. Auch in Wales kam es kurz danach zu einem Ausbruch. Erst wenige Tage zuvor waren Infektionen mit dem Virus in einer kleinen privaten Haltung in der Grafschaft Durham sowie in einem weiteren Geflügelbetrieb in Yorkshire aufgetreten.
Schon in der Wintersaison 2024/25 wurde in Großbritannien eine ungewöhnlich hohe Zahl an HPAI-Fällen verzeichnet. Hunderttausende Vögel mussten landesweit getötet werden. Aktuelle Entwicklungen lassen vermuten, dass sich das Virus mittlerweile dauerhaft in der Wildvogelpopulation etabliert hat und ganzjährig zirkuliert – mit potenziell gravierenden Konsequenzen für Tiergesundheit, Landwirtschaft und öffentlichen Gesundheitsschutz.
Angesichts des steigenden Risikos einer Übertragung auf Säugetiere oder sogar Menschen fordern nun Abgeordnete verschiedener Parteien, die nationale Gesetzgebung zur Genomeditierung zügig zu reformieren. Ziel ist es, die Zucht von Hühnern mit genetischer Resistenz gegen HPAI zu ermöglichen und schneller marktfähig zu machen.
Auch in den Vereinigten Staaten hat das ursächliche H5N1-Virus seit 2022 zu massiven Verlusten in der Geflügelwirtschaft geführt. Über 175 Millionen Tiere mussten seither getötet werden. Allein im laufenden Jahr starben rund 20 Millionen Vögel an den Folgen einer Infektion oder mussten im Rahmen von Seuchenschutzmaßnahmen gekeult werden – darunter mehr als 18 Millionen Legehennen. Die Folgen sind nicht nur wirtschaftlich erheblich: Neben einem sprunghaften Anstieg der Eierpreise kam es zu Engpässen im Lebensmitteleinzelhandel. Betroffene Betriebe erhielten inzwischen über eine Milliarde US-Dollar an Entschädigungen.
Um künftige Ausbrüche einzudämmen und großflächige Keulungen zu verhindern, plant das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) nun erstmals eine nationale Impfkampagne für Geflügel.
Der entsprechende Plan zur Impfung soll im Juli 2025 vorgestellt werden. Wie der internationale Handel darauf reagieren wird, muss man sehen. Bisher müssen Exporteure laut Vorschriften der Welthandelsorganisation (WTO) nachweisen, dass ihr Geflügelbestand frei von aviärer Influenza ist. Eine flächendeckende Impfung könnte diesen Status infrage stellen.
Aktuell wird der Impfplan mit der Geflügelindustrie sowie den einzelnen Bundesstaaten abgestimmt. Auch die Haltung wichtiger Handelspartner soll dabei berücksichtigt werden. Vor allem Produzenten von Legehennen und Puten in den USA sprechen sich klar für die Einführung von Impfungen aus. In Europa rückt das Thema Impfung ebenso zunehmend in den Fokus. In Frankreich und den Niederlanden laufen bereits erste Feldversuche mit Impfstoffen gegen HPAI.
Auch in Deutschland ist das Virus bei Wildvögeln und in Geflügelhaltungen präsent. Im April 2025 wurden zwei Ausbrüche von H5N1 bei Geflügel festgestellt. Zudem wurden 17 infizierte Wildvögel und ein Fall bei einem wildlebenden Fuchs in Niedersachsen gemeldet. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) stuft das Risiko für Geflügelhaltungen derzeit als moderat ein, während das Risiko für Wildvögel weiterhin hoch bleibt.
Früher trat die Vogelgrippe in Deutschland hauptsächlich in den Wintermonaten auf. Inzwischen gibt es jedoch ganzjährig Nachweise des Virus, was auf eine dauerhafte Etablierung in der Wildvogelpopulation hindeutet. Das Robert Koch-Institut (RKI) bewertet das Risiko für die Allgemeinbevölkerung derzeit als gering. Es wurden bisher keine humanen H5N1-Fälle in Deutschland dokumentiert.
Impfstoffe für den Menschen gibt es zurzeit nicht. In Versuchen haben mehrere Kandidaten — darunter mRNA- und Vektorimpfstoffe — in Tiermodellen erste vielversprechende Ergebnisse gezeigt (hier oder hier). Ob sich diese am Ende im Menschen anwenden lassen, wird die weitere Forschung zeigen.
Ihr wollt noch mehr wissen? Warum das Virus Nerze so gut infizieren kann und ob Experten H5N1 als neues potenziellen Pandemie-Virus sehen, könnt ihr in unserem Beitrag von 2023 nachlesen.
Bildquelle: Midjourney