Die Stuhltransplantation galt bislang als unbedenklicher Helfer für die Darmflora. Nun warnt eine Studie vor schweren Folgen. Was alles in die Hose gehen kann, lest ihr hier.
Unser Darm ist eine Welt für sich, bevölkert von hunderten Arten von Bakterien. Antibiotika sind für diese kleine, dunkle Darmwelt so etwas wie die Reiter der Apokalypse. Ist das Gemetzel vorbei, kommt das Ökosystem des Darms, das Mikrobiom, nur mühsam wieder in Gang und, sofern alles glattgeht, auch ins Gleichgewicht. Aber manchmal auch nicht – etwa wenn Bakterien wie Clostridioides difficile die Oberhand gewinnen. Dann ist Alarm im Darm.
So liegt der Gedanke nahe, einem darniederliegenden Darm-Ökosystem Anschubhilfe zu leisten, indem man ein intaktes Mikrobiom von einem Spender überträgt. Solche Stuhltransplantationen oder fäkale Mikrobiomtransfers sind laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte „in einer sehr großen Zahl von Kliniken“ gängige Praxis, vor allem zur Behandlung rezidivierender Clostridioides difficile-Infektionen.
Doch ging man da bislang womöglich zu sorglos zu Werke? Diesen Eindruck erweckt zumindest eine neue Publikation in Cell. Ihr Titel „Microbiome mismatches from microbiota transplants lead to persistent off-target metabolic and immunomodulatory effects“ fasst die Kernbotschaft bereits gut zusammen: Beim Einsatz unpassender Mikrobiome, so die Autoren, kann der Dünndarm von anaeroben Bakterien besiedelt werden, die normalerweise in ihren sauerstofffreien Nischen im Dickdarm leben. So eine Fehlbesiedlung kann andauern und weitreichende Folgen für den Stoffwechsel, das Immunsystem und Organe wie die Leber haben.
Trotz der dringlichen Warnung wäre es voreilig, jetzt Stuhltransplantationen auszusetzen. Zum einen, weil die Ergebnisse mit größter Vorsicht zu interpretieren sind. Schließlich wurden sie in Mäusen gewonnen, auch wenn eine Überprüfung in menschlichen Zellkulturen und mit Biopsien aus menschlichen Därmen die Ergebnisse zu stützen scheinen. Zum anderen werden Stuhltransplantationen hierzulande ohnehin mit Zurückhaltung eingesetzt. Zwar finden sich auf YouTube – einem Ort größtmöglicher Narrenfreiheit – sogar Anleitungen zum Do-it-yourself-Stuhltransfer, offizielle Stellen agieren aber mit Um- und Vorsicht. Faustregel: Wer sich an BfArM und Leitlinien hält, ist auch im Lichte der Cell-Publikation auf der sicheren Seite.
So warnt das BfArM vor möglichen Kontaminationen des Stuhltransplantats mit multiresistenten Erregern. Im Gegensatz zu den USA, wo mit Rebyota ein fäkales Mikrobiota-Präparat zur Prävention einer erneuten Clostridioides difficile-Infektion zugelassen ist, gibt es in der EU derzeit kein Fertigpräparat. In Deutschland bereiten Ärzte das Transplantat also selbst zu, wobei sie das BfArM informieren und Spender wie Spende einer mehrstufigen Eignungsprüfung unterziehen müssen.
Ein Spender scheidet zum Beispiel bereits dann aus, wenn er sich im vorangegangenen halben Jahr nur tätowieren oder piercen ließ. Auch die Stuhlprobe wird aufs Pingeligste untersucht: Etwa drei Dutzend Bakterien, Pilze, Viren und Parasiten dürfen darin nicht vorkommen. Ebenso wird das Blut des Spenders gecheckt.
In deutschen Leitlinien ist die Haltung zur Stuhltransplantation bestenfalls indifferent. Die erst im vergangenen Jahr aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa empfiehlt: „Bei rezidivierender oder therapierefraktärer Clostridioides difficile-Infektion kann ein fäkaler Mikrobiomtransfer durchgeführt werden.“ Dabei spricht die Evidenz deutlich für den Nutzen der Intervention, denn „zahlreiche Studien konnten die Effektivität belegen“. Die Heilungsraten nach Stuhltransplantation liegen durchgehend mit 70 bis 90 % deutlich über denen nach Antibiotika.
Dem gegenüber stehen jedoch „Sicherheitsbedenken, die auch durch ein Screening des Donors nicht vollständig ausgeräumt werden können“. Die Leitlinien-Autoren grenzen sich mit ihrer Zurückhaltung explizit von der Europäischen Leitlinie ab, die schon 2013 den Einsatz zur Behandlung wiederkehrender Clostridioides difficile-Infektionen empfahl.
In der S3-Leitlinie zum Reizdarmsyndrom von 2021 wird ausdrücklich keine Empfehlung abgegeben. Den „allenfalls moderaten therapeutischen Effekten“ stünden eine Vielzahl noch ungelöster „komplexer, technischer, ethischer und Sicherheitsfragen“ gegenüber. Explizit abgelehnt wird die Stuhltransplantation dagegen in der S3-Leitlinie zu Autismus-Spektrum-Störungen von 2021. Das Verfahren findet sich in einer Tabelle zu „gesundheitsschädlichen oder ethisch bedenklichen Interventionen“, die „in keinem Fall“ als Therapie infrage kommen – in einer Kategorie mit illustren Verfahren wie der Behandlung mit Chlorbleiche und Eigenbluttherapie.
Während unbeabsichtigte Verunreinigungen mit resistenten Erregern bislang im Fokus der Bedenken standen, bringt die Cell-Studie nun mit dem Hinweis auf eine Fehlbesiedlung des Dünndarms durch anaerobe Bakterien mit seinen unabsehbaren langfristigen Folgen einen neuen Aspekt in die Diskussion ein. Doch auch für dessen Erforschung ist bereits vorgesorgt: Schon 2016 wurde mit dem MicroTrans-Register an den Unikliniken Köln und Jena der Grundstein dafür gelegt, auch langfristige Folgen zu erfassen.
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