Eigentlich waren wir bei der Bekämpfung von HIV auf einem guten Weg – weltweit. Nun haben die USA fast alle internationalen Hilfen gestrichen. Was bedeutet das für die Ausbreitung des Virus?
Ein Artikel von Dr. Kristina Hopfensperger
Afrikanische Forscher bangen um ihre Zukunft, seit US-Präsident Donald Trump die internationale Hilfe der USA drastisch gekürzt hat. Die amerikanischen Fördergelder waren essenziell, um die Ausbreitung von HIV einzudämmen. Einerseits durch Forschung, andererseits durch die Verteilung von lebensrettenden, antiretroviralen Medikamenten.
Alleine 2024 gaben die Vereinigten Staaten rund 12 Milliarden US-Dollar für die globale Gesundheit aus. Das entspricht etwa einem Viertel aller weltweiten Gesundheitshilfen für arme Länder. Die Ergebnisse sind beeindruckend: Die Zahl der HIV-bedingten Todesfälle sank zwischen 2010 und 2023 in ganz Afrika um 56 %. Die HIV-Epidemie wurde in 14 afrikanischen Ländern eingedämmt, d. h. die Zahl der Neuinfektionen und Todesfälle ist niedrig und rückläufig.
Im Januar 2025, als eine seiner ersten Amtshandlungen, fror Trump jedoch alle amerikanischen Auslandshilfen ein. Er löste die US Agency for International Development (USAID) quasi auf. Auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde (NIH) strich viele Zuschüsse für HIV-Forschung in Afrika. Anfang April betrafen fast 30 % der gekürzten NIH-Fördermittel den Bereich HIV/AIDS. Neue Projekte mit internationalen Partnern gibt es nicht.
Salim Abdool Karim, Mitbegründer und Direktor des Zentrums für AIDS-Forschung (CAPRISA) in Durban, Südafrika, prophezeit, dass die Erfolge der letzten Jahre zunichtegemacht würden, sollte die AIDS-Finanzierung aus den Vereinigen Staaten nicht wieder aufgenommen werden. Das Zentrum fokussiert sich darauf, die Zahl der HIV-Neuinfektionen bei jungen Frauen und die Zahl der Todesfälle durch HIV-Tuberkulose-Koinfektionen zu reduzieren. Unter anderem untersuchten die Forscher, ob eine vaginale Einlage die HIV-Übertragung verhindern kann.
Wie bei vielen anderen medizinischen Einrichtungen in Afrika wurden auch dem CAPRISA abrupt und ohne Vorwarnung Fördergelder gestrichen. „Alle unsere HIV-Impfstoffstudien und die meisten unserer HIV-Behandlungsstudien werden eingestellt“, sagt Karim. Er glaubt nicht, dass die USAID-Finanzierung wieder aufgenommen wird. „Die US-Regierung ist derzeit ein unzuverlässiger Finanzierungspartner. Wir müssen unsere eigenen Ressourcen mobilisieren.“
Doch die eigenen Ressourcen reichen nur noch bis Mitte Juli. Was dann? Über 50 % des CAPRISA-Budgets kam bisher aus den USA. Karim und seine Kollegen haben neun Förderanträge bei britischen, europäischen und japanischen Regierungsbehörden sowie US-amerikanischen und europäischen Stiftungen eingereicht. Doch auch Europas Ausgaben für die Gesundheitshilfe in Afrika sind in den letzten Jahren um über 8 % gesunken. Im Bundeshaushalt 2025 wurde der Etat des Entwicklungsministeriums um über 900 Millionen Euro gekürzt. Schlechte Voraussetzungen also, um neue Geldgeber zu finden.
Auch die Lage in anderen afrikanischen Ländern ist kritisch. Uganda, zum Beispiel, erzielte in den letzten 20 Jahren enorme Fortschritte im Kampf gegen AIDS. Laut dem Jahresbericht der Uganda AIDS Commission für das Jahr 2023 gingen die HIV-Neuinfektionen zwischen 2010 und 2022 um 61 % zurück. AIDS-bedingte Todesfälle sanken um 63 %. Im Jahr 2023 erhielten 84 % der geschätzt 1,5 Millionen Menschen, die in dem Land mit HIV leben, eine antiretrovirale Behandlung.
„Wir befinden uns an einem kritischen Punkt. Uganda hat bedeutende Fortschritte bei der Verringerung von Neuinfektionen und AIDS-bedingten Todesfällen erzielt, aber die plötzliche Kürzung der Mittel gefährdet diese Erfolge“, erklärte Vincent Bagambe, Direktor für Planung und strategische Informationen bei der Uganda AIDS Commission in Kampala. Mehr als die Hälfte des 1,9 Billionen Schilling (ca. 530 Millionen US-Dollar) umfassenden HIV-Budgets Ugandas wird von externen Geldgebern finanziert. Ein erheblicher Teil stammt aus dem US-amerikanischen Notfallplan zur Bekämpfung von AIDS (PEPFAR). Er wurde vom ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush ins Leben gerufen. Die Trump-Regierung setzte die Finanzierung aus und untersagte so 270.000 Gesundheitsfachkräften weltweit die Patientenversorgung.
Wenn die antiretrovirale Behandlung eingestellt wird, steigt die Viruslast im Blut wieder an. Die HIV-positive Person kann HIV wieder übertragen – während der Schwangerschaft auch auf das ungeborene Kind. Zusätzlich können sich Arzneimittelresistenzen bilden. „Ich hoffe, dass irgendwo jemand zur Vernunft kommt und sich diese abrupte Beendigung nicht fortsetzt“, sagt Karim.
Er argumentiert, dass nun ein globales HIV-Forschungssystem ohne die Führung und Finanzierung der USA aufgebaut werden muss. Das afrikanische Centre for Disease Control and Prevention (African CDC) forderte im April, dass die afrikanischen Regierungen 15 % ihrer Staatshaushalte für Gesundheitsprogramme bereitstellen sollten. Diese Mobilisierung lokaler Ressourcen ist jedoch eine große Herausforderung. Nur wenige afrikanische Länder verfügen über die finanziellen Mittel Südafrikas, um die teure HIV-Forschung zu finanzieren. Sie stehen zudem vor Herausforderungen aufgrund des Klimawandels, der Ernährungssicherheit und anderer Infektionskrankheiten.
Ohne große Geldzuflüsse als Ersatz für die US-Finanzmittel schätzen Forscher, dass bis 2040 weltweit 15 Millionen Menschen sterben werden. Das geht aus Modellen hervor, die die Auswirkungen der Kürzungen auf Programme zur Bekämpfung von Tuberkulose, HIV, zur Familienplanung und zur Gesundheit von Müttern und Kindern geschätzt haben. Die Ergebnisse wurden Anfang April auf dem Preprint-Server SSRN veröffentlicht und sind noch nicht peer-reviewed. Todesfälle, die vermeidbar wären. Rund 14 Millionen Kinder würden durch diese AIDS-Todesfälle zu Waisen werden – ein Trend, der in den nächsten 15 Jahren eigentlich zurückgehen sollte. 26 Millionen Menschen könnten sich neu mit HIV infizieren.
Die letzte Hoffnung: ein Deal. Eine Vereinbarung, in der die Vereinigten Staaten sich bereit erklären, ihre Finanzierung fortzusetzen, unter der Voraussetzung, dass die Empfängerländer ihre inländischen Investitionen stetig erhöhen und letztendlich die Verantwortung für die HIV/AIDS-Bekämpfung übernehmen.
Ob Trump daran Interesse hat?
Bildquelle: Louis Hansel, Unsplash