Hautkrebs wird in Deutschland immer häufiger diagnostiziert. Besonders Melanome als seltene, aber aggressive Form sind gefürchtet. Jetzt punkten Wissenschaftler mit neuen Ansätzen: Fortschritte bei der Diagnostik, Therapie und Prävention verbessern die Situation deutlich.
Laut Arztreport 2014 der Barmer GEK litten im Jahr 2012 rund 1,56 Millionen Menschen an bösartigen Erkrankungen der Haut. Rund 318.000 Mal diagnostizierten Ärzte ein malignes Melanom, das sind 60 Prozent mehr als 2005. In einer aktuellen Prognose erwartet das Robert Koch-Institut für 2014 knapp 20.000 Neuerkrankungen: 9.600 maligne Melanome bei Frauen und 10.100 bei Männern. Mehr als jeder zweite Tumor ist beim Staging hinsichtlich seiner Größe als T1 zu klassifizieren.
Das liegt vor allem an umfangreichen Screening-Programmen. An erster Stelle sind hier Hausärzte zu nennen, sie führen 55 Prozent aller Untersuchungen durch. Patienten mit höheren Bildungsabschlüssen gingen laut Arztreport eher zum Dermatologen als Menschen mit Haupt- oder Realschulabschluss. Schön und gut – über den Mehrwert entsprechender Programme streiten Experten nach wie vor. Professor Dr. Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), sagt, unter wissenschaftlichen Kriterien seien „zumindest die Tastuntersuchung nach Prostatakrebs, der regelmäßige allgemeine Check-up und das Hautkrebs-Screening fragwürdig“. Jetzt gilt es, Nägel mit Köpfen zu machen. Im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) evaluiert das BQS Institut für Qualität und Patientensicherheit Hautkrebs-Screenings.
Nach einem positiven Befund versuchen Ärzte, den Primärtumor in toto und im Gesunden zu entfernen. Für die weitere Therapie ist entscheidend, ob Wächterlymphknoten befallen worden sind. Feingewebliche Untersuchungen gelten als aufwändig und fehleranfällig. Deshalb haben Professor Dr. Anja Ulmer, Tübingen, und Professor Dr. Christoph A. Klein, Regensburg, ein neues Verfahren entwickelt, um Lymphknotenmetastasen sicher aufzuspüren. Sie pressen Proben durch feinmaschige Metallgitter, um Zellsuspensionen zu erhalten. Darin weisen Ulmer und Klein Melanomzellen immunhistochemisch nach: mit einer Sonde gegen das Glycoprotein 100 (gp100) als Antigen. Mit diesem Verfahren untersuchten sie Wächterlymphknoten von 1.027 Patienten. Alle hatten sonographisch negative Befunde. Immunzytologisch fanden die Forscher in jedem zweiten Fall Metastasen. Grund genug für aggressive Behandlungen.
Neben Chemo-, Immun- und Strahlentherapie haben bei malignen Melanomen neue Strategien Einzug gehalten. Tumore mit BRAF-V600-Mutation reagieren empfindlich auf Vemurafenib, einen selektiven Hemmstoff des Enzyms BRAF-Kinase. Und Ipilimumab führt als Antikörper gegen CTLA4 zu höheren Aktivitäten von T-Zellen - mit erstaunlichem Ergebnis: Professor Stephen Hodi stellte beim 2013 European Cancer Congress neue Zahlen vor. Zwar lag die mediane Überlebenszeit je nach Kohorte bei 11,4 beziehungsweise 9,5 Monaten. Nach drei Jahren waren es noch 21 beziehungsweise 22 Prozent. Hier stellte sich eine Plateauphase ein, das heißt jeder Fünfte hatte langfristig einen Mehrwert von Ipilimumab. Doch auch bei klassischen Chemotherapien gehen Forschern die Ideen nicht aus. Um lokal höhere Konzentrationen zu erzielen, systemische Nebenwirkungen zu verringern beziehungsweise um mehrere Wirkstoffe parallel zu verabreichen, denken sie über Nanopartikel als molekulare Fähren nach. Als Anker kommen spezielle Oberflächenstrukturen von Melanomen infrage, beispielsweise der Melanocortin-1-Rezeptor (MC1R).
Soweit muss es gar nicht kommen, sollten Patienten Präventionsstrategien beherzigen. Bei exzessiver UV-Exposition kommt es zu Veränderungen des Erbguts in Pigmentzellen. Forscher des Universitätsklinikums und des LIMES-Instituts der Universität Bonn haben herausgefunden, dass Sonnenbrände auch indirekt entzündliche Prozesse im umgebenden Gewebe triggern. Geschädigte Zellen der Oberhaut schütten Botenstoffe aus und locken neutrophile Granulozyten an. Melanomzellen wandern in entzündeter Haut häufig auf der Oberfläche von Blutgefäßen entlang – der Körper aktiviert fälschlicherweise einen Mechanismus aus der Embryonalentwicklung. In einer entzündlichen Umgebung nimmt die Beweglichkeit von Melanomzellen weiter zu. Professor Dr. Thomas Tüting, Bonn, sieht darin eine Erklärung, warum Melanome, die von neutrophilen Granulozyten durchsetzt sind, häufig metastasieren.
Wer UV-Strahlung nur verteufelt, irrt sich möglicherweise. Dermatologen aus Ulm und Dresden nahmen 503 Patienten mit Hautkrebs in eine Fall-Kontroll-Studie auf. Von ihnen hatten 291 ein Melanom und 212 ein Basalzellkarzinom. Als Vergleich kamen 330 Menschen ohne entsprechende Erkrankungen mit hinzu. Alle Studienteilnehmer wurden nach ihren Freizeitgewohnheiten befragt. Patienten ohne Hautkrebs waren in ihrer Vergangenheit deutlich häufiger im Freien sportlich aktiv als Erkrankte. Möglicherweise aktiviert UV-Strahlung ohne Sonnenbrand körpereigene Schutzmechanismen. Wer an einer Atopie leidet, verringert sein individuelles Melanomrisiko um 65 Prozent – möglicherweise durch erhöhte Mastzell-Aktivitäten. Andererseits waren Sonnenbrände in jungen Jahren mit 84 Prozent höheren Risiken verbunden. Ganz ohne Bias ist diese Veröffentlichung aber nicht – schließlich führten Wissenschaftler nur Befragungen durch. Eine prospektive Kohortenstudie könnte tiefere Einblicke geben.