Auch in Zeiten von GLP‑1‑Analoga haben bariatrische Eingriffe ihre Berechtigung nicht verloren. Doch Studien weisen auf mehr Selbstverletzungen und Suizidalität hin. Schneiden Glutide hier besser ab?
GLP‑1‑Rezeptoragonisten (GLP‑1‑RA) wie Semaglutid oder Liraglutid haben die Behandlung von Adipositas revolutioniert. Sie sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken und verdrängen bariatrische Eingriffe immer mehr. Zwar haben solche Operationen nach wie vor ihren Stellenwert, sie werden aber – gemessen an den Verordnungszahlen der neuen Wirkstoffe – inzwischen vergleichsweise selten durchgeführt.
Bei der Entscheidung, welche Behandlungsoption für einen Patienten am geeignetsten ist, sollten Ärzte jedoch nicht nur die körperlichen, sondern auch die psychischen Aspekte im Blick behalten. Das zeigen mehrere Studien.
Ein Blick auf Details: Die bariatrische Chirurgie führt bei Menschen mit schwerem Übergewicht häufig zu einem nachhaltigen Gewichtsverlust. Sie kann das Risiko vieler Folgeerkrankungen der Adipositas verringern. Gleichzeitig werfen einzelne Fallberichte die Frage auf, ob die OPs das Suizidrisiko erhöhen.
Jetzt haben Forscher das Thema im Detail untersucht. Ihre Analyse stützt sich auf fünf Studien – drei gematchte Kohortenstudien und zwei populationsbasierte Studien. Insgesamt wurden 114.615 Menschen mit Adipositas, die eine bariatrische Operation erhalten hatten, und 552.642 Menschen ohne OP eingeschlossen. Im Verlauf der Nachbeobachtung kam es bei Patienten mit Intervention zu 272 Suiziden, in der Kontrollgruppe wurden 622 Suizide erfasst.
Das Suizidrisiko war bei Patienten nach einer bariatrischen Operation mehr als doppelt so hoch wie bei den Kontrollen (Hazard Ratio 2,12), mit höherem Risiko in den gematchten Kohortenstudien (HR 2,64). Alles in allem zeigen sich hier Assoziationen, aber keine Kausalitäten. Erklärungen liefert die Arbeit aufgrund des Designs nicht. Hypothesen gibt es dennoch. Diskutiert werden hormonelle Umstellungen, verändertes Essverhalten, unrealistische Erwartungshaltungen, psychische Vorbelastung und Substanzmissbrauch.
Die Autoren betonen, dass das absolute Risiko eines Suizids dennoch gering bleibe. Sie sprechen sich dagegen aus, Menschen generell von einem bariatrischen Eingriff abzuraten. Stattdessen plädieren sie dafür, Patienten gezielt zu informieren, psychologisch zu begleiten und nach der Operation engmaschig zu betreuen. So könnten psychische Krisen früh erkannt werden, mit der Chance, zeitnah zu intervenieren.
Aber auch bei GLP‑1‑RA gab es zur Markteinführung Bedenken. Nach Meldungen über ein mögliches Risiko von Suizidgedanken und Selbstverletzungen sollte eine umfassende Analyse randomisierter, placebokontrollierter Studien für mehr Klarheit sorgen.
Bei Literaturrecherchen fanden die Wissenschaftler 27 randomisierte, placebokontrollierte Studien, die mindestens sechs Monate liefen. Die Arbeiten schlossen insgesamt 32.357 Menschen, die GLP‑1‑RA einnahmen, und 27.046 Menschen als Kontrollgruppe ein. Das Hauptaugenmerk lag darauf, Suizide, Suizidversuche, Suizidgedanken und selbstverletzendes Verhalten zu erfassen. Solche Ereignisse waren sowohl in der GLP‑1‑RA‑Gruppe (0,044 Fälle pro 100 Personenjahre) als auch in der Placebogruppe (0,040 Fälle pro 100 Personenjahre) sehr selten. Es gab keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen. Subgruppenanalysen zeigten ebenfalls keine Auffälligkeiten (mehr dazu hier).
Vor Kurzem gab es von höchster Ebene Entwarnung: Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat nach einer umfassenden Prüfung aller verfügbaren Daten bestätigt, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen GLP‑1‑RA und Suizidgedanken oder selbstverletzendem Verhalten besteht. Nach Sichtung aller verfügbaren Daten aus präklinischen und klinischen Studien – aus der Post‑Marketing‑Überwachung sowie aus epidemiologischen Untersuchungen – kam der PRAC zu dem Schluss, dass keine Änderung der Fachinformationen erforderlich ist.
Damit bleiben GLP‑1‑RA eine sichere Option für Menschen mit Typ‑2‑Diabetes und Adipositas. Die Auswertung weiterer Daten nach der Zulassung macht aber Sinn, um auch seltene Sicherheitssignale zu erkennen. Schließlich verordnen Ärzte Medikamente dieser Wirkstoffklasse immer häufiger.
Bariatrische OPs: Empfehlung für die Praxis
Quellen
Bei-Bei Cui et al.: Risk of suicide after metabolic bariatric surgery: a meta-analysis of matched cohort studies and population-based studies. Surg Obes Relat Dis., 2025. doi: 10.1016/j.soard.2024.10.014.
Pouya Ebrahimi et al.: Suicide and Self-Harm Events With GLP-1 Receptor Agonists in Adults With Diabetes or Obesity: A Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Psychiatry, 2025. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2025.0091.
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