Jemand bricht plötzlich zusammen. Alle Umstehenden sind wie gelähmt – doch wer jetzt untätig bleibt, lässt sterben. Das Problem: Die Erste-Hilfe-Kenntnisse der Deutschen sind stark unterdosiert. Zeit für einen Refresher.
Na? Wie steht es um deine Erste-Hilfe-Kenntnisse? Sind sie up to date oder eher eingerostet, weil lange nicht gebraucht? Klar – die Themen Notfall, Tod und Unglück passen nicht gut in die heile Welt, die wir Alltag nennen. Aber ich habe eine schlechte Nachricht: Um das Erste-Hilfe-Wissen der Bevölkerung in Deutschland steht es ganz schön mies. Es tut mir leid: Über diese Behauptung existieren keine Statistiken, sondern nur meine Erfahrungen als Notfallsanitäter.
Denn der Tod klopft nicht an – er tritt einfach die Tür ein. Manchmal abrupt und wie ein Projektil ins Ziel treffend, manchmal setzt er sich als unsichtbarer Gast unter Freunden an den Rand der Bierbank und lehnt sich zurück, hört das Lachen, das Klirren der Gläser, das Raunen des Feierabends, so als wüsste er, dass er nicht kämpfen muss und niemand ihn aufhält.
Der junge Mann war erst 25 und hatte vermutlich ein bis dahin nicht erkanntes Brugadasyndrom geerbt. Noch ein letztes Bier mit den Kollegen, noch ein Moment der Pause nach einem Arbeitstag. Der Mann legte sich auf die Bank, sein Herz stolperte. Ein elektrischer Impuls an der falschen Stelle und dann das Kammerflimmern, das sich in Sekunden zur tödlichen Stille wandelte. Und seine Kollegen? Erstarrt. Hände an den Gläsern und in den Taschen, als wären sie aus Blei gegossen. Niemand tat etwas, hilflos gefangen in einem Moment, in dem jede Sekunde zählte.
Niemand erkannte, dass sie nicht auf einen Schlafenden, sondern auf einen Sterbenden blickten. Niemand bot der Sense Paroli. Niemand rettete. Und am Ende stirbt ein junger Mensch an einer Herzrhythmusstörung und einem Sauerstoffmangel durch das kollektive Versagen der Gesellschaft um ihn herum, die die Situation völlig falsch einschätzte.
Ihr seht: Ohne kompetente Ersthelfer ist der Kampf des Rettungsdienstes gegen die Zeit nahezu aussichtslos. Dabei kann jeder das Erkennen einer bedrohlichen Situation und die Reanimation trainieren. Niemand wird als Lebensretter geboren, niemand trägt von Natur aus das Wissen in sich, wie man dem Tod in die Parade fährt. Aber jeder kann es lernen: Zwischen einem Helden und einem Statisten liegt nur eine einzige Entscheidung.
Jemand reagiert nicht mehr? Dann los: PRÜFEN-RUFEN-DRÜCKEN!
PRÜFEN: Betroffene Person laut ansprechen, anfassen, rütteln. Keine Lebenszeichen wie Husten, Schlucken, Bewegung? Keine normale Atmung trotz Überstrecken des Kopfes (auch eine Schnappatmung oder eine Hyperventilation sind keine normale Atmung!)? Dann …
RUFEN: Schnellstmöglicher Notruf – wählt 112. Auch die 911 funktioniert in Deutschland. Nutzt alternativ die NORA Notruf-App: Sollte man nicht sprechen können, ist damit ein stummer Notruf möglich. Dazu ist eine Standortübermittlung eingebaut, solltet ihr euch in unbekanntem Gelände befinden. Ruft zur Unterstützung um Hilfe und alarmiert euer Umfeld. Sprecht Personen gezielt an, damit diese euch helfen.
DRÜCKEN: Dreht die betroffene Person auf den Rücken. Macht den Oberkörper komplett frei – das gilt für alle Betroffenen. Der Druckpunkt befindet sich in der Brustmitte, das entspricht dem unteren Drittel des Brustbeins. Die Drucktiefe beträgt 5 – 6 Zentimeter (das ist tiefer, als es aussieht!). Das Verhältnis zwischen Druckmassage und Beatmung beträgt 30:2. Die Geschwindigkeit der Herzdruckmassage ist 100 bis120 Mal Drücken pro Minute.
Der Song „Stayin‘ Alive“ ist in diesem Kontext nicht nur ein Klassiker – er ist die Hymne der Wiederbelebung, dessen Geschwindigkeit immer passt. Arme durchstrecken, Schultern über dem Druckpunkt und los! Nicht federn und immer komplett entlasten. Eure Arme sind in dieser Situation nur die Verlängerung eures Körpers. Der Merksatz für eine erfolgreiche Herzdruckmassage klingt falsch, ist aber vollkommen richtig: SCHNELL – HART – TIEF.
Wenn eine Beatmung nicht möglich oder der Ekelfaktor zu groß ist: Die Kontinuität der Herzdruckmassage hat oberste Priorität und sollte möglichst wenig unterbrochen werden. Konzentriert euch also auf eine qualitativ gute Herzdruckmassage ohne Unterbrechungen.
Befindet sich ein Defibrillator in der Nähe, holt ihn, schaltet ihn ein und haltet euch an die Anweisung. Das einzige, was ihr nicht tun solltet: Nichts. Dann ist es einfach, Leben zu retten.
Bildquelle: Aarón Blanco Tejedor, Unsplash